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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Julie Kenner
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morgen? Und wer bist du?«
    »Alles zu seiner Zeit«, antwortete er. »Jetzt bringe ich dich erst einmal nach Hause.«
    Ich wollte ihn noch fragen, wie er das anstellen wollte - ich hatte nämlich keineswegs die Absicht, in diese Limousine zu steigen. Doch da tippte er mir an die Stirn. »Schlaf jetzt, Kindchen! Du musst dich erholen.«
    Ich wollte protestieren, doch ich konnte nicht mehr. Meine Lider schlössen sich. Und das Letzte, woran ich mich noch erinnere, war sein Grinsen, als meine Knie nachgaben und ich auf den Bürgersteig fiel. Dem Froschmann vor die Füße.

2
     
    Als ich wach wurde, lag ich auf dem Boden eines Badezimmers vor einer Kloschüssel. Mein Magen fühlte sich seltsam leer an, im Mund hing noch der Geschmack von Galle.
    Ansonsten konnte ich mich nicht beklagen. Die Tatsache, dass ich noch lebte - trotz Lucas Johnson, trotz dieses unheimlichen Monsters und trotz des merkwürdigen Froschmännchens -, schien mir Grund genug zu feiern.
    Gleichzeitig fragte ich mich jedoch, ob ich das alles nicht bloß geträumt hatte.
    Genau, dachte ich, das muss ein Traum gewesen sein.
    Ich setzte mich auf und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. Es war länger als erwartet. Ich betrachtete meine Hand, nur um feststellen zu müssen, dass sie keineswegs meine war. Gleiches galt für meine Fingernägel, die zartrosa lackiert waren. Und erst dieser Hello-Kitty-Pyjama, den ich trug! Das war ganz bestimmt nicht mein Stil.
    Die Erinnerung, wie elend ich mich gefühlt hatte, als ich um mein Leben rannte, brachte die Übelkeit zurück. Ich klammerte mich ans Waschbecken und zog mich hoch. Und dann starrte ich das Gesicht an, das mir entgegenblickte.
    Wer zum Henker ist das?
    Die Frau, die ich normalerweise im Spiegel sah, hatte zehn Pfund zu viel, die sich hartnäckig weigerten zu verschwinden - wahrscheinlich, weil dieselbe Frau sich weigerte, auf die Schokoriegel zu verzichten, die sie hei Movies & More unter der Theke gebunkert hatte. Die Ohren dieser Frau waren doppelt gepierct, und in einem Nasenflügel steckte ein kleiner, geschmackvoller Knopf. Das dichte hellbraune Haar war ultrakurz geschnitten und somit extrem pflegeleicht.
    Doch diese Frau blickte mir nicht mehr entgegen.
    Stattdessen hatte das Gesicht im Spiegel perfekt gestufte kohlrabenschwarze Haare, die bis auf die Schultern fielen und so glänzend und anmutig hin-und herschwangen wie in der Shampoo-Werbung. Grüne Augen schauten unter gezupften Brauen hervor, die sich entweder aus Interesse oder Geringschätzung wölbten. Der Teint war makellos, kein Anzeichen von der geröteten Haut, die ich gewohnt war. Und die Ohren zierten winzige Diamantknöpfe.
    Ich fühlte mich seltsam benommen und merkte, dass ich hyperventilierte. Schnell setzte ich mich auf den Klodeckel, steckte den Kopf zwischen die Knie und zwang mich, gleichmäßig zu atmen.
    Was zum Geier …?
    Was zum Geier ist hier los?
    Ich konnte nicht jemand anders sein. Das war unmöglich! So etwas gab es nicht. Es war nicht wirklich.
    Ich hin ich.
    Ich, dachte ich. Und ich konnte es beweisen.
    Fieberhaft riss ich das Hello-Kitty-Oberteil hoch und entblößte meinen Bauch. Meine Finger strichen über straffe, makellose Haut, die niemals von einem Messer aufgeschlitzt worden war. Verwirrt und verzweifelt schob ich die locker sitzende Hose nach unten und suchte nach Verletzungen. Nichts. Aber ich konnte mich doch genau erinnern! Dieser sengende Schmerz. Johnsons Grinsen, als er mir das Messer reingerammt hatte. Und der beißende Gestank von Blut und Galle, der aus meinem Körper strömte . Ich begann zu zittern, ein Zittern, wie es aus dem tiefsten Innern kommt. Solche Dinge passierten nicht, niemandem. Solche Dinge passierten überhaupt nicht.
    Ich hatte mich in jemand anderen verwandelt.
    Verdammte Scheiße!
    Gut möglich, dass mein Körper völlig ausgeblutet war, doch mein Wesen lebte weiter, steckte gesund und munter in dieser Fremden, die mir von Sekunde zu Sekunde vertrauter wurde.
    Ich verstand nicht, wie das alles möglich war, aber der Wahrheit, die mir aus dem Spiegel entgegenblickte, konnte ich nicht aus dem Weg gehen. Das war ich. Egal, wie ungewohnt sie auch aussehen mochte, dieser Körper mit dem süßen Pyjama, den perfekt geschnittenen Haaren und dem unversehrten Bauch beherbergte jetzt mich.
    Großer Gott, wie war das möglich?
    Und überhaupt: Warum?
    Am ganzen Körper zitternd wandte ich mich um und entdeckte auf dem Boden das zusammengeknüllte weiße Kleid. Das Beben steigerte
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