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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition)
Autoren: Kera Jung
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sehr neugierig … und er spielte anscheinend gern Gerichtsverhandlung. Nun, wenn das alles war, damit würde sie schon zurechtkommen.
    »Ja, Sir.«
    Als er diesmal aufsah, wirkte Rogers merklich interessierter. Er neigte den Kopf zur Seite und musterte sie eingehend. »Was ist geschehen?«
    »Nach dem Tod meines Vaters stellte sich heraus, dass er den falschen Investoren vertraut hatte«, informierte Stevie ihn kühl. »Es existierte zwar ein Fond für uns Kinder ...«
    »Kind er ...?«
    »Ich habe eine jüngere Schwester, Sir.«
    »Und Ihre Mutter.«
    »Ja, Sir.«
    Auch das überdachte Rogers ausgiebig, dann nickte er langsam. »Ich verstehe ...«
    Was Stevie ernsthaft bezweifelte. Anstatt ihm das jedoch mitzuteilen, versteifte sie sich heimlich aufs Beten. Niemals hätte sie sich träumen lassen, einmal in eine derartige Situation zu geraten. Aber wenn dieser Mann sie nicht einstellte, war sie wirklich verloren, und Bianca und Vanessa würden sie beim Untergehen begleiten. Und mit Untergang war das Leben als obdachlose Bettler gemeint. So viel zum Thema: hoch steigen – tief fallen. Die Familie Grace hatte wohl soeben einen neuen Standard gesetzt.
    Mit dem Mut der Verzweiflung erwiderte sie seinen Blick und hoffte dabei, dass er nicht bemerkte, wie angewiesen sie auf seine Zusage war.
    Eine gefühlte Ewigkeit später erwachte Rogers aus seinem Trancezustand. »Nun gut ... Miss ...« Wieder sah er flüchtig in ihre Unterlagen, und diesmal hätte sie geschworen, dass dies reine Show war. »... Grace. Ich war schon immer ein Mann des Risikos, daher denke ich ...« Erneut erfolgte ein visueller Ausflug zu ihrer Bewerbungsmappe, während ihr Blick wie gebannt an seinen Lippen hing. Innerlich hörte Stevie sich flehen. In Ordnung, das ging gut und gern als ausgewachsene Bettelei durch:
    Bitte, bitte, nimm mich! Ich bin gut, Jahrgangsbeste, ehrlich! Und verdammt, ich brauche diesen blöden Job!
    Mit ausdrucksloser Miene sah er auf. »... denke ich, es mit Ihnen zu versuchen. Die übliche Probezeit von einem Vierteljahr versteht sich von selbst. Währenddessen ist kein Urlaub vorgesehen. Sie beginnen mit dem Minimalgehalt von eintausendfünfhundert Dollar. Allerdings bin ich gern bereit, dies im späteren Verlauf neu zu verhandeln, sollten Sie sich für diese Aufgabe als geeignet erweisen. Arbeitsbeginn ist der kommende Montag, pünktlich um acht Uhr. Ich dulde keine Verspätung. Ihre tägliche Arbeitszeit beträgt zehn Stunden ...«
    Spätestens an dieser Stelle rechnete er ganz offensichtlich mit ihrem Veto. Da es ausblieb, nickte er zufrieden. »Überstunden sind je nach Lage möglich. Damit haben Sie keine Schwierigkeiten?«
    »Nein, Sir.«
    »Hervorragend!« Mit diesem Wort erhob Rogers sich von seinem opulenten Sessel, der hinter dem noch opulenteren Schreibtisch aus glänzendem Mahagoniholz stand. Stevie folgte seinem Beispiel und erwiderte unbefangen den Händedruck. Ihr Herz jedoch vollführte inzwischen vor Freude einen Satz.
    Die Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. »Nun, Miss Grace, womit mir nur eines zu sagen bleibt:
    ‚Willkommen an Bord!‘«
    Kurz darauf stand Stevie wieder vor dem Gebäude, in dem sich seit Neuestem ihr Arbeitsplatz befand, und hätte am liebsten ihre Faust in die Luft geworfen.
    Ja!
    * * *

m Abend des zweiten Montags als Mitglied der arbeitenden Bevölkerung ging Stevie mit ausnehmend müden, langsamen Schritten nach Hause. Manchmal mutmaßte sie leicht resigniert, dass sie für diese Art von Dasein möglicherweise schlicht und ergreifend nicht geschaffen war. Jedenfalls fühlte sie sich so. Welch eine Woche lag hinter ihr!
    Es handelte sich um den ersten Job ihres Lebens. Deshalb hatten sich ihre Erwartungen in dunklen, unbekannten Sphären bewegt, als sie am Montag vor einer Woche pünktlich um acht Uhr das Büro betrat …
    Sorgfältig hatte sie zuvor ihre Kleidung ausgesucht:
    Grauer Rock, der weit über die Knie ging, schlichte, weiße Bluse, blickdichte Strumpfhosen und unauffällige, flache Schuhe. Darüber trug sie einen braunen Wintermantel, günstig aus zweiter Hand erstanden. Keine der drei Grace-Frauen hatte bis vor vier Jahren über so etwas wie Wintergarderobe verfügt. Schließlich stammten sie aus Florida.
    Die anfängliche Euphorie hielt sich, bis Stevie den Aktenberg sah, der sich auf ihrem Schreibtisch türmte. Und das, wo es sich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal um ihren Arbeitsplatz handelte. Dazu wurde er erst geschlagene fünf Minuten später. So
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