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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition)
Autoren: Kera Jung
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hatte …
    Doch mit dieser Einschätzung lag Stevie falsch.
    Gleichbleibend freundlich und bestimmt wurde sie kurz darauf, als das Telefon mal wieder summte, aufgefordert, den Hörer abzunehmen und den Anruf ins Chefbüro durchzustellen.
    Versuch Numero zwei geriet zu einem Desaster auf ganzer Linie. Aber Rogers zeigte nicht die geringste Ungeduld oder gar Ärger. Stattdessen wartete er auf das Eingehen eines neuen Anrufes – das geschah keine zwei Minuten später - deutete auf die entsprechenden Tasten, nickte zufrieden und ging, ohne einen weiteren Blick.
    Heimlich sah Stevie ihm nach und atmete lautlos auf. Vielleicht hatte ihre Abfuhr ja doch ausgereicht, um die Fronten ein für alle Mal zu klären.
    Scheinbar hatte Rogers tatsächlich verstanden, dass er bei ihr auf Granit biss ...
    Denn derartige Annäherungsversuche unterblieben zukünftig. Seine Anweisungen erfolgten von der Tür aus oder wahlweise per Telefon. Nie wieder näherte er sich ihr auf diese einmalig stattgefundene Weise. Immer wahrte er Distanz, wenn es sich dabei auch – situationsbedingt – manchmal um weniger als einen Meter handelte. Allerdings bedeuteten das satte neunzig Zentimeter, die Stevie ja ganz und gar genügten.
    Das Einzige, was er ihr an jenem Montag darüber hinaus mitzuteilen geruhte, war eine reine Information. Die überbrachte er sogar persönlich – an der geöffneten Tür zu seinem Büro.
    »Ich wünsche, von niemandem bei der Arbeit gestört zu werden.« Von einem samtigen Hauchen konnte keine Rede sein. »Abgesehen von meinen Mandanten, versteht sich. Weder werden Anrufe privater Natur zu mir durchgestellt, noch so geartete Besuche vorgelassen. Miss Mitchel ist dies durchaus bekannt, sie hat sich einen Spaß mit Ihnen erlaubt und Ihre Unwissenheit ausgenutzt. Ich wies die Dame diesbezüglich bereits zurecht. Meinen Terminkalender finden Sie im Rechner. Ich erwarte, dass Sie über jedes zeitliche Arrangement bestens informiert sind. Besondere Beachtung ist hierbei den Gerichtsverhandlungen zu schenken, die üblicherweise dienstags und freitags abgehalten werden. Ich denke, meine Anweisungen die Akten betreffend, sind unzweideutig. Sollten Sie darüber hinaus Fragen haben, erwarte ich ebenfalls, dass Sie diese auch stellen!«
    Mit offenem Mund und großen Augen hatte Stevie dem Vortrag gelauscht, und bevor sie etwas erwidern konnte, war Rogers in seinem Büro verschwunden. Eine sehr lange Weile betrachtete Stevie die edle Holztür und lächelte schließlich flüchtig. Sieh an! Offensichtlich hatte sie soeben einen Macho in seiner Eitelkeit gekränkt.
    Nun, er würde die Niederlage schon verkraften.
    Das beschrieb die aufwühlenden Dinge, denen Stevie sich stellen musste. Die kamen jedoch nur kurz nach ihrem Arbeitsantritt überhaupt auf. Aber daneben, und zwar in viel größerem Ausmaße, gab es sie auch noch:
    Arbeit.
    Welche Stevie mehr forderte, als jemals zuvor etwas in ihrem Leben. Und das ab dem ersten Tag. Kaum waren zwischen ihnen alle Unklarheiten beseitigt, kam sie dahinter, dass es sich bei ihrem Chef um ein Arbeitstier handelte. Bei ihrer Einstellung hatte er von einem zehnstündigen Arbeitstag gesprochen. Dunkel konnte sie sich auch daran erinnern, es ebenfalls so in ihrem Arbeitsvertrag gelesen zu haben. Doch bereits in ihrer ersten Woche arbeitete sie faktisch an keinem Tag weniger als zwölf Stunden. Und ihre tägliche Beschäftigung war kein Spaziergang! Wie von selbst schien Mr. Rogers sie in seinen Arbeitsmarathon integriert zu haben. Stevie musste unzählige Protokolle schreiben und sofort versenden, Briefe aufsetzen und eigenständig ausformulieren, wenn ihm dazu die Zeit fehlte. Oh, ihr neuer Chef ignorierte keineswegs, dass er eine Kraft beschäftigte, die drei Semester Jurastudium an Harvard absolviert hatte. Davon machte er nämlich mehrmals am Tag Gebrauch.
    Neben diesen Aufgaben wurde sie auch ‚zum Diktat‘ gerufen. Unüblich in Zeiten des modernen Diktiergerätes. Doch er hielt stur an diesem Ritual fest. Nicht, um ihren alten Disput neu aufleben zu lassen, daran glaubte sie für keine Sekunde, sondern weil dies seiner eigentümlichen Arbeitsweise entsprach.
    Wenn Mr. Rogers arbeitete, existierte nicht die geringste Spur des üblichen Funkelns in seinen Augen. Von einem sanften oder schmalen Lächeln, je nach Stimmungslage, ganz zu schweigen. In tiefer Konzentration gerunzelt ähnelte seine Stirn einer Kraterlandschaft. Stevies Anwesenheit schien vergessen, kaum, dass sie vor seinem
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