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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Autoren: Katharina II. von Rußland
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vermutete, Ihre Majestät wohnen würde. Aber es ist schwer zu beschreiben, wie ich daselbst ankam. Das ganze Schloß war so umringt und jeder Eingang derartig mit Soldaten versperrt, die aus allen Teilen der Stadt herbeigeströmt waren, um sich mit den Garden zu vereinigen, daß ich aus meinem Wagen steigen und meinen Weg zu Fuß durch das Gedränge suchen mußte. Aber bald ward ich von den Offizieren und Garden erkannt; ich fühlte mich plötzlich aufgehoben und rasch über die Köpfe der Menschen vor mir hinweggetragen, die mich mit lebhaften Rufen der Zustimmung als ihre Freundin begrüßten und mit tausend Segenswünschenüberhäuften. Als ich endlich glücklich in einem Vorzimmer niedergesetzt ward, mein Kopf schwindelnd, mein Haar zerzaust, mein Kleid zerrissen und mein ganzer Anzug in Unordnung – Zeugen meines triumphierenden Einzugs in den Palast – eilte ich zur Kaiserin. Bald lagen wir uns in den Armen. – »Der Himmel sei gelobt!« war alles, was wir in den ersten Augenblicken hervorbringen konnten.
    Darauf beschrieb sie mir ihre Flucht von Peterhof und ihre Befürchtungen und Hoffnungen während dieser Krisis. Ich hörte ihr mit klopfendem Herzen zu und erzählte dann meinerseits von den angstvollen Stunden, die ich verlebt, die noch schmerzlicher geworden wären durch die Unmöglichkeit, ihr entgegen zu gehen, mit ihr die Entscheidung ihres Schicksals und des guten oder schlechten Loses des Reiches zu erleben. Wir umarmten uns wieder aufs herzlichste. Als ich nachher bemerkte, daß Ihre Majestät das Band des St. Katharinenordens trug und noch nicht das des St. Andreas, des höchsten Ordens im Staat, den keine Frau erhalten konnte, dessen Großmeisterin sie aber jetzt als regierende Herrscherin geworden war, lief ich schnell zu Panin, um dessen blaues Band zu holen, das ich ihr über die Schulter warf. Darauf nahm ich auf Wunsch Ihrer Majestät ihren Katharinenorden an und steckte ihn in die Tasche.
    Nach einer kurzen Mahlzeit schlug die Kaiserin vor, an der Spitze der Truppen nach Peterhof zu ziehen. Sie wünschte, daß ich sie begleitete. Da sie es vorzog, in der Uniform der Garden zu erscheinen, lieh sie sich eine solche vom Hauptmann Talitschin, während ich, ihrem Beispiele folgend, mir eine vom Leutnant Puschkin verschaffte. Die beiden jungen Offiziers waren ungefähr von unserer Größe. Nebenbei bemerkt war es die alte nationale Uniform der Preobraschenskischen Garden, wie sie sie seit Peter I. stets getragen hatten, bis sie von derpreußischen, die Peter III. einführte, verdrängt wurde. Ein bemerkenswerter Umstand ist auch, daß unmittelbar nach dem Einzuge der Kaiserin in die Stadt die Garden wie auf Kommando ihr fremdes Kostüm ablegten und alle bis auf den letzten Mann in der alten Uniform ihres Landes dastanden.
    Als die Kaiserin sich zurückzog, um sich zu dem Marsch nach Peterhof vorzubereiten, eilte ich nach Hause, die nötigen Abänderungen in meiner Kleidung zu treffen. Ins Schloß zurückgekehrt, fand ich Ihre Majestät über die zu erlassenden Manifeste Rat haltend. Sie war von den Senatoren, die in Petersburg anwesend waren, umgeben. Auch Teploff war zugegen, den man gerufen hatte, damit er als Sekretär behilflich sein sollte.
    Da die Nachricht von der Flucht der Kaiserin von Peterhof und den darauf folgenden Ereignissen in der Stadt mittlerweilen in Oranienbaum eingetroffen sein mußte, fiel mir ein, es wäre wohl möglich, daß Peter III. vor Petersburg erscheine, um der Empörung der Truppen Einhalt zu tun. Dem Impulse des Augenblicks folgend, beschloß ich, der Kaiserin meine Gedanken mitzuteilen. Die beiden Offiziere, die an der Tür des Saales, wo der Rat versammelt war, Wache hielten, öffneten mir – vielleicht aus Ueberraschung, weil ich mich schnell und ohne Zögern näherte, vielleicht aber auch, weil sie glaubten, ich besäße eine besondere Erlaubnis, ohne die sie niemand einlassen durften – sofort die Tür und ließen mich eintreten. Sogleich eilte ich zu Ihrer Majestät und flüsterte ihr den Grund meines Kommens zu. Ich bat sie dringend, die Ankunft Peters III. zu verhüten. Teploff wurde beauftragt, einen Ukas aufzusetzen und Abschriften davon nebst weiteren Befehlen an zwei verschiedene Truppenabteilungen zu schicken, welche die beiden Eingänge der Stadt von der Wasserseite, die unbeschützt war, besetzen sollten.
    Sobald die Sitzung beendet und die für die Sicherheit der Hauptstadt nötigen Befehle gegeben waren, bestiegen wir unsere Pferde und ließen
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