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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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behaupteten zu laut das Gegenteil, als daß Titch ihm glauben konnte. Die Hände des Quorrl begannen zu zittern.
    »Du warst nie in Gefahr«, fuhr er fort. »Er war immer da. Er hat immer auf dich acht gegeben. Was wolltest du? Herausfinden, wie weit die Freundschaft eines Quorrl geht? Oder hast du mich nur mitgenommen, damit dir die Zeit auf der Reise nicht zu lang wird?«
    Titch wußte selbst, daß er Unsinn redete. Aber Skar verstand ihn trotzdem. Der
Daij-Djan
war sein schlimmster Alptraum, aber für den Quorrl war er mehr, tausendmal mehr. Er war sein Teufel, der Dämon, der nicht nur sein Leben, sondern die Existenz seines ganzen Volkes überschattete, und anders als die Dämonen der Menschen waren die der Quorrl höchst real. Was hätte er, Skar, umgekehrt gespürt, hätte er herausgefunden, daß der Mann, den er für seinen Freund gehalten hatte, mit dem Teufel im Bunde war?
    Titch deutete sein Schweigen falsch. »Du hast es die ganze Zeit über gewußt«, sagte er noch einmal. »Von Anfang an. Du brauchtest mich nur, um hierherzukommen, und —«
    »Das ist nicht wahr«, unterbrach ihn Skar. »Ich hasse ihn so sehr wie du. Und er ist alles andere als mein Verbündeter. Verdammt, sieh mich doch an! Ich sterbe!« Der Zorn gab ihm noch einmal neue Kraft. Er hob den Arm und streckte Titch seine Hand entgegen. Seine Finger waren voller Blut, aber die Haut darunter war bleich und eingerissen wie altes Pergament und hatte im gelben Schein der Öllaterne einen kränklichen, fast grauen Farbton angenommen. »Glaubst du, das wäre so, wenn ich…« Er suchte nach Worten. »Wenn ich auf seiner Seite stünde?«
    Titch antwortete nicht, aber die Art, auf die er ihn ansah, war beredter als alles, was er hätte sagen können. Vielleicht würde nie wieder Vertrauen zwischen ihnen sein, dachte Skar bitter.
    Aber auch das war nichts als ein weiterer Teil des bösen Geschenkes, das ihm die Götter in die Wiege gelegt hatten. Sein ganz persönlicher Fluch. Seine Freundschaft war wie Gift. Sie vernichtete die, denen er sie schenkte, und machte die, die sie nicht verderben konnte, unweigerlich zu seinen Feinden.
    »Wer bist du wirklich?« fragte Titch. »Wer bist du, Satai?
Was
bist du?!«
    Wie oft hatte er diese Frage schon gehört? Und wie oft hatte er sie sich selbst gestellt, in den letzten Jahren? Aber sie hatte niemals so weh getan wie jetzt, als er sie aus Titchs Mund hörte, der letzten Kreatur auf dieser Welt, die ihm noch vorbehaltlos vertraut hatte. Bisher.
    Für einen Moment war er nahe daran, dem Quorrl alles zu erzählen. Aber statt dessen schüttelte er nach ein paar Augenblik-ken nur den Kopf und verbarg wieder das Gesicht zwischen den Fingern. »Ich wollte, ich wüßte es«, flüsterte er. »Bei Gott, Titch, ich wollte, ich wüßte es.«

S ein Zeitgefühl war so vollständig erloschen wie seine Fähigkeit, irgend etwas anderes zu empfinden als Furcht und Verbitterung.
    Er wußte nicht, ob Minuten oder Stunden vergangen waren, bis Kiina zurückkehrte. Titch hatte ihn für eine kurze Weile allein gelassen, um sich im Haus umzusehen und ihm etwas zu trinken zu bringen, und er mußte wohl eingeschlafen sein, denn das nächste, woran er sich klar erinnerte, waren Titchs schuppige Finger, die seinen Kopf hielten und ihn zwangen, die Lippen zu öffnen und zu trinken; eine bittere, scharf schmeckende Flüssigkeit, die zuerst einen leisen Schmerz und dann wohltuende Wärme in seiner Kehle und danach in seinem Magen auslöste.
    Und ein nicht minder schuppiges Gesicht, das neben dem Titchs auf ihn herabstarrte und mindestens dreimal so alt war wie das seine.
    Skar war froh, Scrat zu sehen. Anders als Titch war er nicht davon überzeugt gewesen, daß der
Daij-Djan
alle Quorrl auf diesem Hof getötet hatte. Trotz ihrer unersättlichen Blutgier war die Bestie nicht dumm; wenn sie tötete, dann nur, wenn es Sinn hatte. Und er war doppelt erleichtert, die alte Quorrl-Heilerin unversehrt zu erblicken; nicht nur, weil er Hilfe jetzt vielleicht dringender benötigte als je zuvor. Den Gedanken, daß der
Daij-Djan
alles Leben auf diesem Hof ausgelöscht haben könnte, hätte er nicht ertragen.
    Er wußte nicht, was Titch ihm da einflößte, aber es wirkte; und es wirkte überraschend schnell. Skar konnte regelrecht fühlen, wie sich nach der Wärme eine Woge neuer Kraft in seinem Körper ausbreitete, so schnell, daß er fühlen konnte, wie Schmerz und Übelkeit erloschen und eine neue, nervöse Energie seine Glieder durchströmte.
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