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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1)
Autoren: Paul Collmann
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darbringen konnten.
     
     
     
    Der Professor hielt Wort, es kamen zwei Assistenten in das Laboratorium, aber zwei Neue! Riemenschneider wurde entlassen. Wenn der hohe Herr an diesem Morgen in das Laboratorium gekommen wäre, würde er schwerlich gekrümmte Rücken zu sehen bekommen haben. Die Stimmung war gefährlich geladen. Gearbeitet wurde fast gar nicht. Die neuen Herren nahmen eine vorsichtig abwartende Haltung ein und schienen es nicht zu bemerken, dass sich an den Wasserhähnen und den Abzügen Gruppen von finster blickenden Gesellen sammelten, die im Flüsterton debattierten und des Öfteren nach dem leeren Platz Marie-Therese hinüberschielten. Hatte man auch sie hinausgeekelt??
    „ Donnerwetter, wenn das der Kerl wagte!“, drohte ein älteres Semester, der die Rolle eines Stubenältesten und Sprechers spielte.
    „ Wir schicken jemanden in ihre Privatwohnung und lassen fragen, was da vorliegt“, regte ein anderer an.
    „ Gut – aber wer weiß ihre Wohnung?“
    „ Erfahren wir bei dem Labordiener.“
    „ Jeder stiftet einen Sechser, dann schicken wir den alten Krättele Hannes hin.“
    „ Nee, besser den Beugel, der uns das Eis holt, der ist fixer!“
    Dies wurde besorgt, in einer halben Stunde kam er schon wieder und meldete, das Fräulein von Rechberg-Leudelfingen für einige Tage in ihre Heimat gefahren sei, dass sie aber spätestens am folgenden Abend wiederkommen werde.
    „ Das war dein Glück, alter Zeus!“, drohte der Sprecher, worüber ein so lautes zustimmendes Gelächter ausbrach, dass doch einer der Assistenten, ein wenig lächelnd, aber bestimmt um Ruhe bat.
    „ Auch könnte ja jetzt die Arbeit beginnen!“, meinte der andere vorsichtig.
    „ Ganz gewiss!“, erwiderte der Sprecher, „wir wollen uns an unsere Plätze begeben. Nur dürfen wir vielleicht fragen, warum Herr Dr. Riemenschneider nicht erscheint.“
    Die beiden Herrn zuckten verlegen lächelnd die Achseln.
    „Ach so. Sie wissen es nicht? Na ja, wir werden’s schon in Erfahrung bringen. Und jetzt – ad loca!“, (auf die Plätze) rief der Sprecher seinen Kameraden zu, wodurch der Zwischenfall zunächst beigelegt war.
     
     
     
    Als Tess von ihrer Fahrt in die Heimat zurückkam, noch ganz benommen von dem schweren Konflikt im Elternhaus und noch längst nicht fertig und mit sich im Reinen über all die Fragen, die dort aufgetaucht waren, wurde sie gleich wieder in neue Kämpfe verstrickt.
    „ Gott sei Dank, Baroness, dass sie wieder da sind!“ Mit dem Stoßseufzer wurde sie von ihrer Pensionsmama, der guten Tante Amelie empfangen. „Ach Kind, dreimal – wenn’s nicht fünfmal gewesen ist – sind sie schon hergekommen, gestern und heute.“
    „ Wer, Tante Amelie?“
    „ Nu, Studenten!“
    „ Was wollten die Studenten?“
    „ Ja, was wollten se? – Wo sie bliewen! Ob sie gar net zurückkäme.“
    „ Haben sie gar nicht gesagt, was – nun, was denn los wäre?“
    „ Aach, was los is! Wenn i das alles verstande hätt !“ – sie sah aus dem Fenster. „ Jessas, da kimmt scho widder so’n Bengele! Ach, liebe Leit’, scho ne Glatz’ hat’r !“
    Tess ging sofort hinaus, um den Sprecher des Laboratoriums draußen abzufangen. So erfuhr sie denn alles, was inzwischen geschehen war.
    „ Den Riemenschneider hat er rausgeekelt? Unseren Riemenschneider??“ Sie wurde ganz blass vor Schrecken.
    „ Das dürfen wir uns doch nicht gefallen lassen, Baroness!“
    Tess überlegte. Sie hörte gar nicht mehr, was der andere noch alles heraussprudelte. „Ich werde Herrn Riemenschneider morgen aufsuchen“, entschied sie und ging, ohne Abschiedsgruß, in tiefen Gedanken in die Wohnung zurück.
    Am nächsten Tag ging Tess nicht ins Labor, sie hatte ein bisschen Angst, weniger vor dem Professor als vor den Kameraden, die – o, sie wusste es so genau. Aber als sie nachmittags um vier Uhr sich aufmachte, Herrn Dr. Riemenschneider in seiner Wohnung aufzusuchen, entdeckte sie vor einem Café in der Nähe eine ganze Menge bekannter Gestalten. Es war keine Frage, man hatte ihr aufgelauert – die Zeit konnten sie sich ja ungefähr denken – und man machte Miene, sich ihr anzuschließen. Eigentlich war es ihr nicht unlieb, dass sie zu diesem Gang ein wenig Begleitung bekam. Sie dachte an den Vater zuhause und suchte sich zwei ruhige, ältere Semester aus, denen man auch etwas Ahnung von guten Manieren zutrauen konnte. So bekam die Angelegenheit einen etwas offizielleren Karakter; es sah aus, als ob eine Studentenabordnung den
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