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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Autoren: Andrea Gunschera
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aufrecht zu stehen. Voller Überraschung stellte sie fest, dass all die Kratzer und kleinen Wunden verschwunden waren, als hätten sie nie existiert.
    Asâêl überquerte das Dach und blieb vor der Kapelle stehen, die nur noch eine rauchende Ruine war. Sie erkannte Thomasz, der dort saß, zwischen Steinbrocken und verkohlten Holzbalken.
    Der Engel entfaltete seine prachtvollen Schwingen und schirmte sich selbst und Thomasz von den anderen ab. Die Flügel waren gewaltig, gut dreimal so groß wie er selbst. Wind fuhr durch die kurzen Federn, die von der gleichen irisierenden Farbigkeit waren wie seine Haut. Scheinbar weiß, doch auch wieder nicht. Violet kniff die Lider zusammen, weil sich der Effekt dann verstärkte.
    Alle Farben dieser Welt, wenn du sie sehen kannst
.
    Gabriel trat hinter Violet und zog sie an sich.
    „Was tut er da?“, flüsterte sie.
    Ich stehe in deiner Schuld
.
    Sein Blick ruhte auf Thomasz, doch es war Violet, zu der er sprach.
    Ich gehe fort von hier. Ich muss sehen, wie die Welt sich verändert hat. Meine Erinnerungen kehren zurück und nicht alle sind — angenehm. Wenn du jemals meine Hilfe brauchst, rufe nach mir. Denke meinen Namen und ich finde dich
.
    „Meine Schwester“, krächzte sie. Der Gedanke brach in ihr Bewusstsein wie eine Hyäne mit gesträubtem Nackenfell. „Meine Schwester
    Sie wandelt außerhalb meiner Macht
.
    „Ist sie tot?“
    Sein Schweigen dehnte sich. Der Wind frischte auf. Sie dachte am Mom.
    Es tut mir leid
.
    „Schon gut“, flüsterte sie. „Ich danke dir. Dass du mich zurückgeholt hast.“

    „Carl war in dem Helikopter, nicht wahr?“ Violet saß auf der Rampe und ließ die Füße herunterbaumeln.
    Gabriel lehnte sich mit dem Rücken gegen die Ziegelwand, die angenehm warm war von der Nachmittagssonne, und blickte sie an. Nachdem Asâêl sie ihm zurückgebracht hatte, hatte er geglaubt, dass er nie mehr aufhören könnte, sie anzusehen.
    Sie waren in die Brewery zurückgekehrt, um seinen Vater zu sehen, nachdem er sich von seinen Wunden erholt hatte, zumindest den körperlichen. Wie es seiner Seele erging, war schwer zu sagen. Gabriel war es nicht gelungen, das herauszufinden. Thomasz mochte ein geselliger Mensch sein, aber tief in sich hütete er Geheimnisse, die er mit niemandem teilte.
    Er ließ sich neben ihr nieder. „Carls Leiche ist mit den anderen verbrannt. Es ist nicht viel von ihm übrig geblieben.“
    Nach zwei Tagen hatten Polizei und nationale Sicherheitskräfte die letzten der Kreaturen aufgespürt und zur Strecke gebracht, die Carl und seine Anhänger in der Stadt freigesetzt hatten. Ein kollektiver Schock lag über dem Land. Selbst die Medien legten einen gedämpften Tonfall vor. Das LAPD entdeckte drei schwere Trucks, einen davon auf einem Parkplatz in der Nähe von Maryans Cathedral, die offenbar zum Transport der Tiere gedient hatten. Die Speditionsfirma, der die Fahrzeuge gehörten, verwies auf ein Anwaltsbüro, das für die Etherlightkirche arbeitete und die Trucks für mehrere Wochen angemietet hatte. Die Polizei verfolgte die Spur, die in einer Welle von Verhaftungenund Hausdurchsuchungen mündete. Der größte Mordprozess in der Geschichte der Stadt stand bevor.
    Emilys Leiche blieb unauffindbar.
    „Bist du froh, dass er tot ist?“, fragte Violet. „Ich meine, gibt es dir Frieden?“
    Er legte ihr einen Arm um die Schultern und fuhr mit der Hand durch ihr Haar. Sie zu berühren, war wie Sonne auf der Haut. Unvorstellbar, dass er drauf und dran gewesen war, das aufzugeben. „Ich weiß nicht. Es fühlt sich leer an.“ Nachdenklich spielte er mit einer der glänzenden Strähnen. „Versteh mich nicht falsch. Wäre er nicht mit dem Hubschrauber abgestürzt, ich hätte ihn eigenhändig umgebracht. Aber so ...“
    „ ... hat dich das Schicksal um deine Rache betrogen?“
    „Vielleicht.“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Vielleicht habe ich mir auch nur eingebildet, dass sein Tod mich stärker berühren müsste. Dass er mir Befriedigung verschaffen sollte. Aber da ist nur Gleichgültigkeit. Okay, vielleicht ein winziges bisschen Befriedigung. Aber es ist nicht so, als ob du plötzlich aus der Dunkelheit ins Licht trittst.“
    Die Dielen unter Thomasz’ Füßen knarrten, als er zu ihnen auf die Rampe trat. Gabriel stand auf und zog Violet auf die Füße. Es fühlte sich noch immer an wie ein Wunder, dass sein Vater vor ihm stand. Atmend und lebend und mit seinem sanften, kultivierten Wesen, das den surrealen Eindruck
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