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Engelsberg

Engelsberg

Titel: Engelsberg
Autoren: Reinaldo Arenas
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seine Frau vom Engel »besucht« worden war, hatte sie ihm doch Nemesia Pimienta, ein fast weißes Mulattenmädchen, geschenkt, dessen Vater unübersehbar nicht aus Afrika kam.
    Merced Pimienta, die wenige Monate später vor Traurigkeit starb, weil der Engel sie nicht länger mehr besuchte, nachdem er sie beim Techtelmechtel mit dem Schneider Uribe antraf, erfuhr nie, wer die Eltern des hübschen Mulatten waren, der unter dem Namen José Dolores Pimienta und gemeinsam mit seiner vorgeblichen (und geliebten) Schwester heranwuchs. Und zwar unter tausend Schwierigkeiten, obschon von Zeit zu Zeit sowohl Meister Uribe (der sich als Nemesias Vater glaubte ) wie auch Bischof Echerre (der sich als Nemesias Vater wusste ) den beiden Waisen etwas zukommen ließen, bis José Dolores Pimienta sich seinen Lebensunterhalt allein verdienen konnte.
    Was Doña Rosa betrifft, so erhielt sie, nachdem sie Bischof Echerre die in diesen Fällen angezeigte Summe entrichtet hatte, auf den Knien liegend Absolution, und erleichtert (und leichter geworden) kehrte sie nach Hause zurück, wo niemand – mit Ausnahme des Kochs Dionisios – die Veränderung an ihr bemerkte. Doña Rosa war zu dieser Zeit schon so dick, dass acht oder zehn an zwei Tagen verlorene Pfunde an ihrer Figur nicht die geringste Delle hinterließen.
    Fürderhin, das muss der Gerechtigkeit halber gesagt werden, war sie ihrem Gatten nie wieder untreu.

Kapitel 7 Die versammelte Familie
    Das Mittagessen, das um elf Uhr vormittags begonnen hatte, dauerte schon volle zwei Stunden. Alle saßen noch bei Tisch und warteten auf die Yemas, die Eidotter-Bällchen mit Zucker und Zimt, die kein anderer in Havanna so zubereiten konnte wie der Kochsklave Dionisios.
    Am Kopfende saß Don Cándido, zu seiner Rechten Doña Rosa und ihr Sohn Leonardo, zur Linken die drei Töchter, Antonia, Carmen und Adela. Das andere Ende nahm der spanische Haushofmeister ein, Don Manuel Reventós. Hinter den Speisenden hantierten unermüdlich, doch lautlos die Hausdienersklaven, dirigiert von Dionisios selbst und von Tirso, einem jungen Sklaven, der ausschließlich Don Cándido bediente.
    Dieser junge Mann besaß ein solches Geschick bei seiner Aufgabe, dass er auf eine Handbewegung Don Cándidos hin wusste, ob dieser das mächtige dreifüßige Kohlebecken wollte, um sich eine Zigarre anzuzünden, die große silberne Bürste mit Goldborsten, um sich den Rücken kratzen zu lassen, oder aber die moderne Fliegenklatsche, um die lästigen Insekten breit zu schlagen, die mit lautem Gesumm die Gesichtserker der Señoritas umschwirrten. Dafür musste der junge Mann allerdings ständig auf der Hut sein und fast vierundzwanzig Stunden am Tag auf das geringste Blinzeln seines Herrn achtgeben.
    Das Tischgespräch war wie stets im Hause Gamboa eher familiär, und so wurde dem Haushofmeister zwar die Ehre der gemeinsamen Mahlzeit, nicht aber die der Konversation zuteil, es sei denn natürlich, Don Cándido oder Doña Rosa richteten das Wort an ihn.
    »Mama«, sagte Leonardo, nachdem er seine fünfte in spanischem Olivenöl und einheimischem Schnaps schwimmende Yema verspeist hatte, »bei Dubois in der Calle de la Muralla sind gerade Schweizer Repetieruhren eingetroffen, die besten der Welt.«
    »Bild dir nicht ein, dass wir dir noch eine Uhr kaufen!«, polterte Don Cándido los und machte dabei eine Handbewegung, die der junge Tirso als das Verlangen nach Feuer deutete, weshalb er ihm das Kohlebecken unter den Schnauzbart hielt. »Verdammter Hundesohn!«, schrie Don Cándido noch lauter, nahm das Becken und warf es dem Sklaven an den Kopf, der überlebte, da er ihm auszuweichen verstand. Don Cándido, nun außer sich vor Wut, weil er sich am Kohlebecken die Finger verbrannt hatte, schlug mit der Faust auf den Tisch und zerschmetterte dabei etliche Teller. »Es gibt keine Uhr, es gibt keine Uhr!« Und an Leonardo gewandt: »Was glaubst du eigentlich, wer wir sind? Die Dukatenscheißer von Peru?«
    »Was für ein Beispiel du Leonardo gibst!«, enthob ihn Doña Rosa der Antwort. »Man könnte meinen, er wäre nicht dein Sohn.«
    »Das schlechte Beispiel gibst du, wie du ihn verziehst. Anstatt auch mal an deine Töchter zu denken, dreht sich bei dir alles nur um ihn!«, wies Don Cándido sie zurecht, stand auf und umarmte seine Älteste, Antonia.
    »Und du, du denkst nie an unseren Leonardito!«, erwiderte Doña Rosa und blickte liebevoll auf ihren Sohn.
    »Meine Töchter haben eine bessere Mutter verdient als die, die
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