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Engelherz - Band 1-3

Engelherz - Band 1-3

Titel: Engelherz - Band 1-3
Autoren: Jennifer Schreiner
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Versuchung?“, ich riet mehr, als dass ich mir meiner Sache sicher war.
    Jahve nickte.
    Die tausend Gedanken und Fragmente kamen zu einem Schluss und ich schlug zu.
    Das ungläubige Leuchten in Jesus Augen belohnte mich für all die Jahrhunderte meines Leidens, meiner Einsamkeit.
    Die Ohrfeige hinterließ einen roten Abdruck auf seiner linken Wange und meine Hand prickelte von dem Schlag.
    „ Du schlägst deinen Gott?“, Jesus Stimme klang kleinlaut.
    „ Du wagst es? Du wagst es dich jetzt auf deine Göttlichkeit zu berufen?“ Ich sprang erbost auf. „Ich denke im Moment bist du auch nur ein Mensch und kannst nichts gegen deine Triebe tun?!“ Gehässig hatte ich meine Stimme verstellt und sie nach Jesus klingen lassen. „Warum führst du mich in Versuchung?“
    Jesus antwortete nicht, sondern hielt angesichts meiner Wut seinen Kopf gesenkt. Ich raste: „Ich will eine Antwort! Hörst du mich?! Sofort!“
    Jesus hob seinen Kopf und sah mich überlegen an. „Was willst du tun? Sie aus mir herausprügeln?“
    Für Sekunden stand mein Mund offen, ohne dass ein Ton hinaus kam, dann fing ich mich und gab patzig zurück: „Wenn es sein muss!“
    Ungläubig blickte er mich an.
    „ Und das mit dem Tod kannst du auch einfacher haben!“, keifte ich.
    Er wusste ebenso wie ich, dass meine Bemerkung nicht ernst gewesen war, doch er ging darauf ein. „Du bedrohst deinen Gott?“
    „ Wenn du ein Mensch wärst, würde ich dich einen Wahnsinnigen nennen“, murmelte ich und verstieß gleich gegen zwei der zehn Gebote. Frustriert stieß ich ihn mit dem Fuß an und setzte mich neben ihn.
    „ Erzählst du es mir jetzt?“, bat ich.
    Jesus grinste und rieb sich demonstrativ die Wange. „Nein.“
    Ich setzte an, etwas zu sagen, doch er legte mir seinen Zeigefinger auf den Mund. „Aber du sollst wissen, dass mein Angebot durchaus ernst gewesen ist.“
    Er stand auf und strahlte mich an. „Du hast noch immer die Wahl! Überleg es dir noch einmal!“, forderte er mich auf. „Wir sehen uns spätestens bei der Kreuzigung.“
    Damit drehte er sich um und ging. „Bei der Kreuzigung? – Wie schön!“, meine innere Stimme war so sarkastisch und gehässig wie selten zuvor und gönnte ihm alle Qualen, die er würde erleiden müssen.
    Ich legte mich ins Gras und versuchte mich zu beruhigen. „In was bist du da bloß hineingeraten?“, fragte meine innere Stimme und meinte damit alles vom Anfang bis Heute.
    Lebhaft konnte ich mir ausmalen, was bei dem letzten gemeinsamen Essen mit seinen Jüngern passieren würde. Samiel würde vergehen vor Wut und Zorn, Jesus würde verkünden, dass in jemand aus dem Kreise der 12 verraten wird und wahrscheinlich würde er von seiner Auferstehung oder Himmelfahrt prophezeien.
    Ich stellte mir vor, wie Samiel Jesus ein letztes Mal küssen würde, zur Begrüßung, zum Abschied und fragte mich, was Jahve ihm geboten haben mochte.
    Mit geschlossenen Augen sah ich in mich hinein, sah die ganze Welt der Lebenden und der Toten und wartete darauf, meinen Gott sterben zu sehen.
    Wie sehr wünschte ich mir Gabriel rufen zu dürfen. Gabriel, der zwar Jahve unterstützen, mich aber trösten würde.
    Wie sehr wünschte ich mir, Samiel würde kommen, aber der war damit beschäftigt, seinen Gott zu verraten.
    Mit einem Mal kam ich mir vor wie ein Engel. Es war absehbar, was geschehen würde, aber ich konnte nichts dagegen unternehmen, nur beobachten. Immer nur beobachten. Mein Leben lang.
    Die ganze Nacht lag ich an der Stelle, an der Jahve mich verlassen hatte und wartete darauf, dass etwas geschah. Vielleicht wartete ich auch auf eine Offenbarung, während ich schlaflos zu den Sternen sah und mich fragte, ob ich mich gegen Jesus letzte Worte auflehnen konnte. „Kann ich meinem Gott widerstehen und der Kreuzigung fernbleiben?“
    Und Samiel kam nicht. Ich würde alleine sein, ich konnte nicht alleine sein. Wie sehr sehnte ich mich nach Unterstützung, nach jemandem, der mich verstand und mir half mit Jahves Wille fertig zu werden.
    Doch es war niemand da.
    Als der Morgen graute, machte ich mich auf den Weg, um mir auf Jahves Wunsch hin seine Kreuzigung anzusehen.
    Während der gesamten Strecke jammerte und wehklagte meine innere Stimme, dass es falsch sei, ungerecht und widersinnig. Nicht nur die Kreuzigung, sondern auch mein Verhalten. „Wie kannst du dich damit abfinden?“ – „Tu etwas!“ – „Entscheide dich!“ – „Kämpfe!“
    Aber ich wollte und würde mich nicht gegen meinen Gott auflehnen.
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