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Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman
Autoren: Tami Hoag
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abhalten«, sagte Ellen. »Ich schlage vor, Sie heben sich Ihre Fragen bis dahin auf.«
    Sie schob sich durch das Hauptportal des Krankenhauses und wappnete sich innerlich gegen die Kälte. Eine blasse Lasur von Sonnenlicht lag auf dem jungfräulichen Schnee. Am hinteren Ende des Parkplatzes rumpelte ein Traktor entlang und pflügte den Schnee zu einem kleinen Gebirge auf.
    Sie ging quer über den Platz zu ihrem Wagen, einem Bonneville, und war sich sehr wohl bewußt, daß ihre Schuhe nicht die einzigen waren, die über den Schnee knirschten. Aus dem Augenwinkel sah sie nach unten, und da war der lose Schnürsenkel, der neben einem abgetragenen Nike-Laufschuh flatterte.
    »Ich meine es ernst«, sagte sie und fischte ihre Schlüssel aus der Manteltasche. »Ich habe nichts für Sie.«
    »Kein Kommentar? Hunde füttern verboten?«
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er mußte ganz frisch von der High-School gekommen sein, ein Grünschnabel, auf den man noch aufpassen mußte, damit er sich warm genug anzog. Sein Gesicht war fein modelliert. Schwarze Haare mit einem verdächtig roten Schimmer baumelten über seinen schmalen, braunen Augen. Er wischte sie ungeduldig beiseite. Ein junger Keanu Reeves. Gott steh mir bei. Nicht viel größer als sie mit ihren knappen eins achtzig, gebaut wie ein streunender Kater, hager, agil, und er strahlte die dazu passende rastlose Energie aus. Die Luft um ihn herum vibrierte, als hätte ihn jemand an eine Starkstromleitung angeschlossen.
    »Ich fürchte, Ihr Hund wird hungern müssen, Mister . . .«
    »Slater. Adam Slater. Grand Forks Herald. «
    Ellen zog die Autotür auf und hievte ihre Aktentasche auf den Beifahrersitz. »Die Zeitung von Grand Forks hat ihren eigenen Reporter den ganzen langen Weg hierhergeschickt?«
    »Ich bin ehrgeizig«, verkündete er. Er wippte auf den Fußballen auf und ab, als wäre er bereit, jederzeit loszusprinten. Ein Nachwuchsreporter, der versucht, vor dem hungrigen Rudel zu jagen.
    »Sind Sie denn alt genug, um einen Job zu haben?« fragte Ellen, verärgert durch seine Begeisterung.
    »Sie waren auch mal ehrgeizig«, sagte er, als sie sich hinter das Lenkrad ihres Wagens setzte.
    Sie schaute zu ihm hoch, es machte sie mißtrauisch, daß er etwas über sie wußte.
    »Ich habe ein paar Kontakte in Hennepin County.«
    Kontakte. Er sah aus, als wären seine Kontakte die Jungen, die die Prüfungsfragen vom Schreibtisch des Algebra-Lehrers klauten.
    »Man sagt, Sie seien gut gewesen, als Sie dort waren.« Damals, in grauer Vorzeit.
    »Ich bin immer noch gut, Mister Slater«, sagte Ellen und drehte den Schlüssel im Zündschloß. »Ich bin unter jeder Postleitzahl gut.«
    »Ja, Ma'am«, zwitscherte er und salutierte mit seinem Notizbuch.
    » Ma ' am « , murmelte sie erbost, legte den Gang ein und fuhr in Richtung Ausfahrt. Ihr Blick wanderte noch einmal kurz zum Rückspiegel, bevor sie sich in den Verkehr auf der Straße einreihte. Mister Ehrgeiz aus Grand Forks hüpfte zum Eingang des Krankenhauses zurück. »Du wirst schon sehen, du kleiner Scheißer, falls du je eine Affäre mit einer älteren Frau hast. Gut gewesen. Ich bin, verdammt noch mal, immer noch gut.«
    Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ihr Geschick vor Gericht oder ihre weibliche Anziehungskraft meinte. Während der Reporter außer Sichtweite geriet, konzentrierte sie sich jetzt auf ihr Spiegelbild. Ihr Gesicht war eher interessant als schön. Oval, mit einer gut geformten Stirn. Graue Augen – ein bißchen schmal.
    Nase – ein bißchen gewöhnlich. Mund – nichts, was erotische Phantasien heraufbeschwor, aber ganz okay. Sie suchte ihr Gesicht nach Anzeichen des Alters ab. Ihr gefiel nicht, wie tief die Lachfalten neben ihren Augen waren, wenn sie sie zukniff. Wie lange noch, bis sie aufhören mußte, sie Lachfalten zu nennen, und sie zu Krähenfüßen wurden?
    Ein Geburtstag rückte näher, bedrohlich wie eine große schwarze Wolke am Horizont. Sechsunddreißig. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Sie redete sich ein, es käme von der Kälte, und drehte die Heizung des Bonneville einen Strich höher.
    Sechsunddreißig war nur eine Zahl. Eine Zahl näher an vierzig als an dreißig, aber nur eine Zahl, eine willkürliche Einteilung im Lauf der Zeit. Sie hatte jetzt wichtigere Sorgen – zum Beispiel die, einen vermißten Jungen zu finden und seinen Kidnapper der gerechten Strafe zuzuführen.

2
    Das Gerichtsgebäude von Park County war ein kleines Baudenkmal aus dem in der Gegend
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