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Endlich gefunden

Titel: Endlich gefunden
Autoren: Anne Katherine Green
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und sich dicht in ihren Shawl gehüllt hatte.
    Zunächst zog ich nun Erkundigungen über Herrn Blakes Familienverhältnisse ein, soweit das unter der Hand geschehen konnte und erfuhr etwa folgendes:
    Obgleich er seinen häuslichen Angelegenheiten so wenig Aufmerksamkeit zu schenken schien, sah man ihn doch selten außerhalb des Hauses. Nur wenn es sich um Fragen von großer politischer Wichtigkeit handelte, fehlte er nie in den Versammlungen seiner Partei. In angesehener Stellung und im Besitz reicher Mittel hätte er in der Gesellschaft glänzen können, allein er legte gegen den geselligen Umgang im allgemeinen große Abneigung an den Tag und war nicht einmal zu bewegen, die Einladungenseiner Freunde anzunehmen. Besonders aber vermied er jeden Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht; weder auf der Straße noch in irgendeinem Vergnügungslokal, Ballsaal oder Theater, sah man ihn je in Damengesellschaft. Man würde sich bei einem reichen, heiratsfähigen, etwa fünfunddreißigjährigen Mann von angenehmem Aeußern noch mehr über diese Tatsache verwundert haben, hätte er nicht zu einer Familie gehört, die wegen ihrer Absonderlichkeiten bekannt war. Jeder seiner Vorfahren besaß irgendeine seltsame Eigenheit. Sein Vater, obgleich ein Büchernarr erster Sorte, wollte bis zu seiner Todesstunde Shakespeare nicht als Dichter gelten lassen. Herrn Blakes Onkel haßte alle Rechtsgelehrten und sein Großvater hatte einen ausgesprochenen Widerwillen gegen jedes Fischgericht. Dem Beispiel seiner Familie folgend, durfte auch Herrn Blake sich eine besondere Abneigung gestatten – warum sollte er nicht die ganze Frauenwelt hassen? –
    Daß dies jedoch nicht immer der Fall gewesen, erfuhr ich von einem Herrn, der ihn in Washington gekannt hatte. Dieser vertraute mir an, Blake habe zu einer Zeit seines Lebens seiner Cousine Eveline Blake große Aufmerksamkeit geschenkt; dies sei die Dame, welche damals viel Aufsehen erregt habedurch ihre glänzende Heirat mit dem alten Taugenichts, dem französischen Grafen de Mirac, der gleich nachher starb. Die Frau Gräfin hatte sich nicht wieder vermählt, hielt sich jetzt in Neuyork auf, stand aber allem Anschein nach durchaus nicht auf freundschaftlichem Fuß mit ihrem früheren Verehrer.
    Mir fiel das Bild ein, welches ich in Herrn Blakes Privatzimmer gesehen hatte, und als ich erfuhr, daß die Cousine brünett und eine sehr auffallende Erscheinung sei, glaubte ich schon eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben. Gryce, dem ich sie mitteilte, schüttelte jedoch lachend den Kopf und meinte, ich würde wohl tiefer graben müssen, wenn ich die Wahrheit zutage fördern wolle, die auf dem Grunde dieses Geheimnisses läge.

Fünftes Kapitel
    Bisher waren alle unsere Bemühungen, Nachricht über den Verbleib und das Schicksal des vermißten Mädchens zu erlangen, vergeblich gewesen. Auch die Anzeigen, welche Frau Daniels einrücken ließ, blieben erfolglos. Ich fühlte mich sehr entmutigt,und begann schon gänzlich zu verzagen, als mir unerwartet ein neuer Hoffnungsschimmer aufging. Die hübsche Fanny nämlich, das Stubenmädchen, dessen Bekanntschaft ich seit kurzem eifrig suchte, schilderte mir eines Tages im Laufe unseres Gesprächs das wunderliche Benehmen der Frau Daniels während jener Zeit peinlicher Ungewißheit.
    Wäre sie ein Gespenst, sie könnte nicht auf unheimlichere Weise im Hause umherwandern, sagte sie. Treppab, treppauf – treppauf, treppab, bis es kaum mehr auszuhalten ist. An Ruhe ist gar nicht mehr zu denken. Bleich wie die Wand sieht sie aus und bebt wie Espenlaub. Sie getraut sich keine Schüssel vom Tisch zu nehmen, so zittern ihr die Hände. Sobald Herr Blake zu Hause ist, läßt sie sich durch nichts aus der Nähe seiner Türe fortbringen, aber sie geht nie ins Zimmer, sondern immer im Korridor auf und ab, die Hände ringend und Selbstgespräche haltend, wie eine Verrückte. Mit eigenen Augen habe ich es mehr als einmal gesehen, daß sie die Hand auf die Klinke legte und sie wieder zurückzog, als habe sie sich verbrannt. Ging aber gar die Türe auf und Herr Blake kam zufällig heraus, dann hätten Sie sehen sollen, wie sie davonlief. Was das alles bedeutet, weiß ich nicht,aber ich habe so meine Gedanken. Wenn sie nicht übergeschnappt ist, dann usw. usw.
    Unter solchen Umständen sah ich ein, daß es Torheit war, vor der Zeit zu verzweifeln. Meine Befürchtung war gewesen, die Sache möchte sich auf sehr einfache und alltägliche Weise aufklären. Solange es noch
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