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Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder
Autoren: Orson Scott Card
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Psychoanalytiker bei mir spielen? Tja, versuch’s mal damit: Was mich so restlos sauer gemacht hat, war, daß mein älterer Bruder Quim mich während meiner gesamten Kindheit insgeheim sexuell belästigt hat, und nun ist er ein Märtyrer, und man wird ihn zu einem Heiligen machen, und niemand wird je erfahren, wie böse er war und was für schreckliche, schreckliche Dinge er mir angetan hat.«
    Wang-mu stand von Schrecken erfüllt da. Peter hatte ihr von Quim erzählt. Wie er gestorben war. Die Art von Mensch, die er gewesen war. »Oh, Quara«, sagte sie. »Es tut mir so leid.«
    Ein Ausdruck totalen Abscheus huschte über Quaras Gesicht. »Du bist so dumm. Quim hat mich niemals angerührt, du aufdringliche kleine Weltverbessererin. Aber du bist so begierig darauf, irgendeine billige Erklärung dafür zu finden, warum ich eine solche Hexe bin, daß du jede Geschichte glauben würdest, die halbwegs plausibel klingt. Und gerade jetzt fragst du dich wahrscheinlich, ob mein Geständnis wahr gewesen ist und ich das nur abstreite, weil ich Angst vor den Auswirkungen oder irgend so einer dummen merda habe. Merk dir das ein für allemal, Mädchen: Du kennst mich nicht. Du wirst mich nie kennen. Ich will nicht, daß du mich kennst. Ich will keine Freunde haben, und wenn ich Freunde wollte, würde ich nicht wollen, daß ausgerechnet Peters Lieblingsflittchen die Honneurs macht. Kann ich mich wohl noch klarer ausdrücken?«
    In ihrem Leben war Wang-mu von Experten besiegt und von Meistern in dieser Kunst geschmäht worden. Quara war nach allen Maßstäben verdammt gut darin, aber nicht so gut, daß Wang-mu es nicht hätte ertragen können, ohne zusammenzuzucken. »Ich bemerke allerdings«, sagte Wang-mu, »daß Sie es nach der schändlichen Verleumdung des erlauchtesten Mitglieds Ihrer Familie nicht ertragen konnten, mich in dem Glauben zu lassen, daß sie der Wahrheit entspräche. Also empfinden Sie doch irgend jemandem gegenüber Loyalität, auch wenn er tot ist.«
    »Du verstehst einen Wink einfach nicht, oder?« sagte Quara.
    »Und ich bemerke, daß Sie sich immer noch weiter mit mir unterhalten, obgleich Sie mich verachten und versuchen, mich zu beleidigen.«
    »Wenn du ein Fisch wärst, würdest du ein Schildfisch sein, du klammerst dich einfach fest und saugst, als ob es um dein Leben ginge!«
    »Weil Sie an jedem Punkt einfach den Raum verlassen könnten und meine mitleiderregenden Versuche, mich mit Ihnen anzufreunden, nicht mehr hören müßten.«
    »Du bist unglaublich«, sagte Quara. Sie schnallte sich von ihrem Sessel los, stand auf und ging durch die offenstehende Tür hinaus.
    Wang-mu sah zu, wie sie ging. Peter hatte recht. Unter allen fremdartigen Rassen waren die Menschen immer noch die fremdartigste. Immer noch die gefährlichste, die unvernünftigste, die, bei der man am wenigsten wußte, woran man war.
    Trotzdem wagte Wang-mu es, vor sich selbst ein paar Prophezeiungen abzugeben.
    Erstens war sie zuversichtlich, daß das Forschungsteam eines Tages eine Verständigung mit den Descoladores zuwege bringen würde.
    Die zweite Prophezeiung war viel unsicherer. Eher so etwas wie eine Hoffnung. Vielleicht auch einfach nur ein Wunsch. Nämlich, daß Quara Wang-mu eines Tages die Wahrheit erzählen würde. Daß eines Tages die verborgene Wunde, die Quara mit sich herumtrug, geheilt werden würde. Daß sie womöglich eines Tages Freundinnen sein konnten.
    Aber nicht heute. Es bestand kein Grund zur Eile. Wang-mu würde versuchen, Quara zu helfen, weil sie es so offensichtlich nötig hatte und weil die Menschen, die am längsten mit ihr zusammengewesen waren, sie eindeutig zu satt hatten, um ihr zu helfen. Aber Quara zu helfen war nicht das einzige oder auch nur das wichtigste, was sie zu bewerkstelligen hatte. Peter zu heiraten und ein Leben an seiner Seite zu beginnen – das war von viel höherer Priorität. Und etwas zu essen, einen Schluck Wasser und einen Ort zum Pinkeln zu finden – das waren, in diesem Augenblick ihres Lebens, die allerhöchsten Prioritäten überhaupt.
    Ich nehme an, das zeigt, daß ich ein Mensch bin, dachte Wang-mu. Kein Gott. Vielleicht am Ende doch nur ein Tier. Zum Teil Ramann. Zum Teil Varelse. Aber mehr Ramann als Varelse, wenigstens an ihren guten Tagen. Peter ebenfalls, genau wie sie. Sie beide Teil derselben mit Fehlern behafteten Spezies, entschlossen, sich zusammenzutun, um ein paar weitere Angehörige dieser Spezies zu produzieren. Peter und ich werden gemeinsam ein Aiúa
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