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Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel

Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel

Titel: Emilia Galotti - Textausgabe und Lektüreschlüssel
Autoren: G.E. Lessing
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Doch, ich möchte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich würde,
(indem sie ihn bei der Hand ergreift)
wenn ich länger bliebe. – Drum lass mich! lass mich! – Gott befohlen, Claudia! – Kommt glücklich nach!
[27] Fünfter Auftritt
    CLAUDIA GALOTTI .
    Welch ein Mann! – O, der rauen Tugend! – wenn anders sie diesen Namen verdienet. – Alles scheint ihr verdächtig, alles strafbar! – Oder, wenn das die Menschen kennen heißt: – wer sollte sich wünschen, sie zu kennen? – Wo bleibt aber auch Emilia? – Er ist des Vaters Feind: folglich – folglich, wenn er ein Auge für die Tochter hat, so ist es einzig, um ihn zu beschimpfen? –
Sechster Auftritt
    EMILIA
und
CLAUDIA GALOTTI .
    EMILIA
(stürzet in einer ängstlichen Verwirrung herein)
. Wohl mir! wohl mir! Nun bin ich in Sicherheit. Oder ist er mir gar gefolgt?
(Indem sie den Schleier zurückwirft und ihre Mutter erblicket)
. Ist er, meine Mutter? ist er? – Nein, dem Himmel sei Dank!
    CLAUDIA . Was ist dir, meine Tochter? was ist dir?
    EMILIA . Nichts, nichts –
    CLAUDIA . Und blickest so wild um dich? Und zitterst an jedem Gliede?
    EMILIA . Was hab ich hören müssen? Und wo, wo hab ich es hören müssen?
    CLAUDIA . Ich habe dich in der Kirche geglaubt –
    EMILIA . Eben da! Was ist dem Laster Kirch und Altar? – Ach, meine Mutter!
(Sich ihr in die Arme werfend.)
    CLAUDIA . Rede, meine Tochter! – Mach meiner Furcht ein Ende. – Was kann dir da, an heiliger Stätte, so Schlimmes begegnet sein?
    EMILIA . Nie hätte meine Andacht inniger, brünstiger sein sollen, als heute: nie ist sie weniger gewesen, was sie sein sollte.
    CLAUDIA . Wir sind Menschen, Emilia. Die Gabe zu beten ist [28] nicht immer in unserer Gewalt. Dem Himmel ist beten wollen, auch beten.
    EMILIA . Und sündigen wollen, auch sündigen.
    CLAUDIA . Das hat meine Emilia nicht wollen!
    EMILIA . Nein, meine Mutter; so tief ließ mich die Gnade nicht sinken. – Aber dass fremdes Laster uns, wider unsern Willen, zu Mitschuldigen machen kann!
    CLAUDIA . Fasse dich! – Sammle deine Gedanken, soviel dir möglich. – Sag es mir mit eins, was dir geschehen.
    EMILIA . Eben hatt ich mich – weiter von dem Altare, als ich sonst pflege, – denn ich kam zu spät – auf meine Knie gelassen. Eben fing ich an, mein Herz zu erheben: als dicht hinter mir etwas seinen Platz nahm. So dicht hinter mir! – Ich konnte weder vor, noch zur Seite rücken, – so gern ich auch wollte; aus Furcht, dass eines andern Andacht mich in meiner stören möchte. – Andacht! das war das Schlimmste, was ich besorgte. – Aber es währte nicht lange, so hört ich, ganz nah an meinem Ohre, – nach einem tiefen Seufzer, – nicht den Namen einer Heiligen, – den Namen, – zürnen Sie nicht, meine Mutter – den Namen Ihrer Tochter! – Meinen Namen! – O dass laute Donner mich verhindert hätten, mehr zu hören! – Es sprach von Schönheit, von Liebe – Es klagte, dass dieser Tag, welcher mein Glück mache, – wenn er es anders mache – sein Unglück auf immer entscheide. – Es beschwor mich – hören musst ich dies alles. Aber ich blickte nicht um; ich wollte tun, als ob ich es nicht hörte. – Was könnt ich sonst? – Meinen guten Engel bitten, mich mit Taubheit zu schlagen; und wann auch, wann auch auf immer! – Das bat ich; das war das Einzige, was ich beten konnte. – Endlich ward es Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt ging zu Ende. Ich zitterte, mich umzukehren. Ich zitterte, ihn zu erblicken, der sich den Frevel erlauben dürfen. Und da ich mich umwandte, da ich ihn erblickte –
    CLAUDIA . Wen, meine Tochter?
    [29] EMILIA . Raten Sie, meine Mutter; raten Sie – Ich glaubte in die Erde zu sinken – Ihn selbst.
    CLAUDIA . Wen, ihn selbst?
    EMILIA . Den Prinzen.
    CLAUDIA . Den Prinzen! – O gesegnet sei die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war, und dich nicht erwarten wollte!
    EMILIA . Mein Vater hier? – und wollte mich nicht erwarten?
    CLAUDIA . Wenn du in deiner Verwirrung auch ihn das hättest hören lassen!
    EMILIA . Nun, meine Mutter? – Was hätt er an mir Strafbares finden können?
    CLAUDIA . Nichts; ebenso wenig, als an mir. Und doch, doch – Ha, du kennest deinen Vater nicht! In seinem Zorne hätt er den unschuldigen Gegenstand des Verbrechens mit dem Verbrecher verwechselt. In seiner Wut hätt ich ihm geschienen, das veranlasst zu haben, was ich weder verhindern, noch vorhersehen können. – Aber weiter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen
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