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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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schrecklichen Hustenanfall konnte Schmalenbach endlich einschlafen.
     Ohne Schlafanzug, dafür aber in Socken und mit seinem Schal.

DER FELDMARSCHALL
    Man wird ja auch älter. Und ruhiger. Und weiser. Und immer weniger eitel.
    Deshalb versuchte Schmalenbach, Elke entgegenzukommen. Er aß weniger Fleisch. Er trank kaum noch Alkohol. Und er war kurz
     davor, seine Bibliothek auszumisten. Das war der Tribut, den man dem Alter zahlen musste.
    »Du wirst sehen, wenn du einen Großteil deiner Bücher aussortiert hast, geht es dir besser. Du kannst freier atmen. Dein Kopf
     wird leerer. Du bist bereit für Neues.«
    Schmalenbach war sich nicht sicher, ob er so viel Wert auf einen leeren Kopf legte. Es gab genug, die mit leerem Kopf herumliefen.
     Und? War die Welt dadurch besser geworden?
    Allerdings hatte er im Laufe der Jahre viele Bücher angesammelt. Bücher, die er nicht brauchte. Bücher, in denen Schwachsinn
     stand. Bücher, die ihm und Elke den Platz zum Leben nahmen.
    Es ist kein Geheimnis, dass Frauen ein ambivalentes Verhältnis zu Büchern haben. Wenn sie auf Partys darüber schwadronieren
     oder im Fernsehen darüber befragt werden, dann bekennen sie sich zu ihrer Lektüre so kämpferischwie zur Deklaration der Menschenrechte: Bücher sind ihre engsten Freunde, Bücher sind Waffen gegen die Unterdrückung durch
     die Männer, Bücher sind der einzige Trost in einer geistfernen und unsensiblen Welt.
    Frauen kaufen auch viel mehr Bücher als Männer. Das wissen nicht nur die Verlage – das wird den Männern auch bei jeder Gelegenheit
     unter die Nase gerieben. Aber Schmalenbach fragte sich schon seit Langem: Wo waren eigentlich alle die Bücher, die Frauen
     unentwegt kauften, lasen und im Freundinnenkreis so eifrig besprachen? Elke hatte alles – vom Kleinwagen bis zur elektronischen
     Lockenschere – aber sie hatte keine Bibliothek. Frauen nahmen ihre Lektüre sehr ernst. Aber sie bauten keine langfristigen
     Beziehungen zu ihren Büchern auf. Sie lasen die Bücher, aber sie sammelten sie nicht.
    Männer sammelten leidenschaftlich Bücher. Aber sie lasen sie nicht. Behauptete jedenfalls Elke. Das war vor allem deshalb
     so gemein, weil sie recht damit hatte. Die Hälfte der Bände, die in seiner Bibliothek standen, hatte Schmalenbach nie gelesen.
     Warum auch? Er sparte sich den Genuss lieber für später auf.
    Elke las alle Bücher sofort. Oft sogar schon auf dem Weg von der Buchhandlung nach Hause. Sie riss die verschweißte Hülle
     auf, nahm das Buch aus seinem Schutzumschlag – und verschlang es. Für Schmalenbach war so etwas kulturlos. Es erinnerte ihn
     an die Menschen, die im Supermarkt eine Packung Schokolade aufreißen, um den Inhalt gierig zu verspeisen und an der Kasse
     nur noch die zerfledderte Hülle zu bezahlen.
    Schmalenbach hatte Achtung vor dem Buch. Er ließ einem Buch Zeit. Während Elke einen eben erst erworbenenund schon ausgenommenen Bestseller auf den Küchentisch knallte, ließ Schmalenbach ein neues Buch erst mal in der Klarsichthülle
     ruhen und deponierte es zum Reifen auf einem speziellen Regal für die Neueingänge. Bei Gelegenheit nahm er es wieder in die
     Hand, wiegte es, legte es zurück oder öffnete es und blätterte ein wenig – so wie man eine Frau erst einmal im Gespräch taxiert,
     bevor man sie mit nach Hause nimmt.
    Elke las ihre Bücher – und vergaß sie. So roh konnte sie sein. Manche Bücher verschenkte sie sofort nach der Lektüre an irgendeine
     Freundin, die damit ebenso verfuhr. Mal abgesehen davon, dass solche Verhaltensweisen der darbenden Buchbranche den Todesstoß
     versetzten – ein Buch, das war doch ein Freund, eine Geliebte. Die gab man nicht einfach weiter, wenn man mit ihr oder ihm
     den Höhepunkt erreicht hatte. Man ließ sich Zeit mit einem Buch. Man erfreute sich an seinem Anblick. Man überlegte, wann
     der richtige Zeitpunkt gekommen war, es aufzuschlagen und zu lesen. Hemmungslos und ekstatisch. So war Schmalenbach. Deshalb
     hatte er ja seine Bibliothek.
    Und die war Elke ein Dorn im Auge. Bibliotheken sind Frauen immer ein Dorn im Auge. Das hat was mit der Biologie zu tun. Und
     mit Innenarchitektur. Die Biologie und die Innenarchitektur sind die schlimmsten Feinde der Bücher. Machen wir uns nichts
     vor: Wenn eine Frau zu ihrem Mann sagt, die Bücher müssen weg, dann steckt natürlich auch Eifersucht dahinter. Frauen sind
     immer eifersüchtig auf Bücher. Auf die Bücher ihrer Männer. Ihre eigenen Bücher behandeln sie wie
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