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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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rückte beiseite, und Elidar, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, fiel neben ihr auf das weiche Lager. Die Königin legte ihre Arme um sie und zog sie an sich. »Ruh dich aus«, flüsterte sie Elidar ins Ohr. »Hier kann eine junge Königin sicher schlafen. Also schlaf tief und fest, meine Tochter. Du hast bald deinen letzten Kampf zu bestehen.«
    Aber Elidar hörte sie nicht mehr. Sie schlief.

36
    E lidar schlief, und sie wusste, dass sie schlief, zum ersten Mal seit langer, langer Zeit.
    Sie träumte, und es war ihr nicht bewusst, dass sie träumte, denn der Traum war so klar und deutlich, wie es nur die Wirklichkeit sein konnte.
    Es waren Drachengedanken, die sie dachte, und Drachengefühle, die sie fühlte. Sie sah aus Drachenaugen und bewegte die starken Muskeln eines Drachenleibes, und es war richtig und gut.
    Die Luft, die sie atmete, strömte frisch und kalt durch ihre Nüstern. Das kalte Feuer in ihrem Inneren brannte stark und hell. Sie flog über Berggipfel, die bis an die Wolken reichten, und vor ihr lag ein unermesslich weiter Ozean, der an eine zerklüftete Küste brandete. Die Welt war jung und wild, und die Menschen ein Schatten, eine Ahnung, die in weiter Zukunft lag. Noch gehörte die Welt den Drachen, die mit den Stürmen tanzten.
    Sie löste sich bedauernd vom lockenden Anblick des Ozeans, der sich blau und grün und schwarz vor ihr ausdehnte. Wie gerne hätte sie ihn überquert, um sein anderes Ende zu sehen, wenn es überhaupt ein Ende gab!
    Aber sie musste bleiben, denn hier und jetzt erwartete sie die erste Prüfung, die eine junge Königin zu bestehen hatte. Ihre Nestschwestern schärften ihre Klauen und heizten ihr Feuer an. Nur eine von ihnen würde ins Nest zurückkehren, das dann für immer ihr gehörte.
    Sie riss sich vom Anblick des aufgehenden Mondes los. Drachenlicht. Sie war der Eisdrache, der Silberdrache, der Monddrache. Diese Nacht war eine gute Nacht, um zu kämpfen - und zu siegen.
    Als sie erwachte, war es dunkel. Ein phosphoreszierendes Glühen lag über ihrer Umgebung und ließ sie gespenstisch erscheinen.
    Elidar streckte sich gähnend und berührte etwas Festes, Unnachgiebiges, das sich kühl und hornig anfühlte. Es umgab sie wie eine halb geöffnete Hand, die ihren Rücken berührte.
    Elidar richtete sich auf. Sie wusste, dass sie sich in der Höhle der Drachenkönigin befand, und erinnerte sich, dass sie zu ihr aufs Lager gekrochen war, weil sie zu müde und von den Ereignissen zu erschöpft gewesen war, um sich einen anderen Platz zu suchen. Aber als sie sich in der glühenden Dunkelheit umsah, schien die Höhle weitaus größer zu sein als der kleine Raum, der gerade mal ein üppiges Lager und eine Sitzgelegenheit umfasst hatte.
    Sie tastete nach dem, was sie umfangen hielt wie ein mütterlicher Arm. Kühl war es, glatt und ledrig, rau und hornig, fest und an manchen Stellen nachgiebig. Es war dunkel und ohne den Schimmer, der die Umrisse der Gegenstände rundum erkennbar werden ließ.
    Elidar zögerte, ihr magisches Licht zu entzünden. Sie weitete ihren Blick und versuchte, das fremde Etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Es ragte vor ihr auf wie eine dunkle Wand, und sie konnte seine Oberkante hoch über ihrem Kopf erahnen. War das die Höhlenwand? Aber das Lager hatte sich doch mitten im Raum befunden.
    Sie legte die Hände ineinander wie eine Schale und ließ ein mattes Licht entstehen, das sie sogleich abschirmte. Nur durch einen Spalt ihrer Finger beleuchtete sie die Wand, vor der sie kniete. Schimmernd in allen Farben des Regenbogens gab sie das Licht zurück. Elidar hielt den Atem an. Schmetterlingsflügel und buntes Vogelgefieder konnte nicht schöner sein als dieser Anblick. Sie dämpfte das Licht zu einem matten Glimmen und betastete die schillernde Oberfläche. Sie war bei aller Festigkeit so weich wie ein Handschuh, glatt und gleichzeitig ein wenig rau und nicht so kalt wie Gestein, aber auch nicht so warm wie lebendes Fleisch. Elidar drückte prüfend dagegen.
    Es gab nach, und sie spürte ein Vibrieren, ein Pulsieren tief im Inneren. Ein Beben ging hindurch, und sie hörte einen Laut, der wie ein Windstoß oder ein tiefes Seufzen klang. Das Beben wurde stärker, und Elidar trat einen Schritt zurück, weil sie nicht wusste, was geschehen würde. Sie ließ ihr Licht aufflammen, und die Wand vor ihr barst in einer Explosion aus Farbe und Feuer wie ein riesiger, geschliffener Edelstein.
    »Ahhh«, machte eine Stimme, die gleichzeitig zu
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