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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter
Autoren: Bernhard Hennen
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einen Troll erschlagen - in einem Alter, in dem andere Kinder Steckenpferde reiten. Halgard und du, ihr seid euren letzten Weg gemeinsam gegangen.« Alfadas stockte, seine Stimme versagte ihm. »Ihr…«
    Etwas, das König Horsa ihm einmal gesagt hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Du weißt ja, unsere Heldengeschichten enden immer tragisch und blutig. So ist das im Fjordland.
    »Ich wünschte, du wärst nicht im Fjordland geboren worden.«
    Goldene Birkenpollen tanzten im letzten Dämmerlicht. Alfa-das senkte die Fackel. Das Holz des Scheiterhaufens war voller junger Triebe. Es würde nicht richtig brennen. Noch während Alfadas die bleichen Stämme ansah, entrollte sich ein Blatt an einem der frischen Triebe. Er blickte auf. Die Luft war erfüllt von goldenem Blütenstaub. Frisches Grün schmückte die Birken am Ufer, und sie standen in voller Blüte… Mitten im Winter!
    »Wirf die Fackel fort«, sagte Emerelle sanft. »Du wirst sie nicht brauchen. Das Lebenslicht der Kinder war nicht ganz verloschen. Ein letzter Funke war geblieben. Ich habe ihnen von meinem Licht gegeben. Sie werden zurückkommen aus dem Dunkel. Gib ihnen nur ein wenig Zeit.«
    Die Königin wirkte erschöpft. Im schwindenden Licht sah Al-fadas Fältchen um ihre Augen, die er nie zuvor bemerkt hatte. Sie strich über den schlichten Stein auf ihrer Brust. »Du hattest Recht, Alfadas. Menschen, die den Glauben an Wunder nicht verloren haben, vermögen manchmal anderen Wunder zu schenken. Nun leg dich nieder und ruhe. Ich werde über deinen Schlaf wachen.«

DER KÖNIG

    Voll banger Hoffnung blickte Alfadas im schwindenden Abendlicht den Rentierpfad hinauf. Zehn Tage waren seit der Schlacht mit den Trollen vergangen. Er war mit den Kindern nach Sunnenberg zurückgekehrt. Ulric und Halgard ging es gut. Zu seiner Überraschung war Emerelle geblieben. Sie kümmerte sich um die Kinder, aber auch um andere Verletzte und Gebrechliche. Sie hatte sich verändert. Noch immer wirkte sie unnahbar, aber er hätte niemals gedacht, dass sie sich in stinkende, überfüllte Flüchtlingsquartiere begeben würde, um alten Frauen die Gicht zu nehmen, Kindern erfrorene Zehen zu retten und die Wunden seiner Krieger zu schließen. Von überall her kamen die Überlebenden des Trollkriegs nach Sunnenberg, Menschen, die außer dem nackten Leben alles verloren hatten. Erst allmählich zeigte sich, wie schrecklich der Heerführer der Trolle gewütet hatte. Alle Städte und Dörfer, die nördlich von Gonthabu lagen, waren verbrannt. Überall entlang der Ufer fanden sich Schädelstätten wie jene in Honnigsvald, in der man Ulrics Dolch gefunden hatte. Und niemand wusste zu sagen, wie viele Überlebende auf der Flucht waren. Hunderte waren auf dem Fjord und in den Wäldern erfroren. Alfadas hatte Reiter und Schlitten ausgesandt, um nach Flüchtlingen zu suchen. Der Herzog blickte auf das Tal hinab. Die ersten Lichter brannten. Frierende drängten sich um Feuer im Schnee. Wie ein Flickenteppich erstreckten sich die ärmlichen Behausungen der Verlorenen entlang des Rentierpfads. Sie waren aus allem ge-
    baut, was greifbar war. Aus Segeltuch, alten Decken und miteinander verflochtenen Tannenzweigen. Manche hatten Wände aus Schnee. Viele bestanden aber nur aus einem Dach. Sie waren nicht geeignet, einem Winter zu trotzen, der noch viele Wochen dauern würde.
    Auf Alfadas' Befehl hin waren alle Kranken und Verletzten in den wenigen festen Häusern von Sunnenberg untergebracht. Auch die Alten und Kinder hatten warme Plätze bekommen.
    Obwohl das Dämmerlicht nun immer schneller der Dunkelheit wich, hallte das Tal wider vom rhythmischen Klang der Äxte. Vier Tage nach der Schlacht auf dem Eis war Orimedes mit einem Heerzug aus über tausend Kentauren über den Fjord zu ihnen gestoßen. Sie kamen zu spät, um die Trolle zu vertreiben, aber gerade recht, um den Kampf gegen Winter und Elend aufzunehmen. Großzügig teilten sie ihre Vorräte mit den Menschen. Seit ihrer Ankunft litt niemand mehr Hunger. Anfangs hatten viele Flüchtlinge die Pferdemänner mit Scheu, ja sogar mit unverhohlener Angst betrachtet. Zu fremd waren die riesigen Gestalten, halb menschenähnlich, halb Pferd. Doch mit ihrer rauen Art waren sie den Fjordländern viel ähnlicher als etwa die Elfen. Sie halfen, wo immer sie konnten. Orimedes hatte Jäger in die Wälder geschickt, um die Vorräte mit Wildbret zu ergänzen. Der weitaus größte Teil der Kentauren aber half, neue Hütten aus Fichtenholz zu errichten.
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