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Elfenmeer: Roman (German Edition)

Elfenmeer: Roman (German Edition)

Titel: Elfenmeer: Roman (German Edition)
Autoren: Sabrina Qunaj
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selbst ins Rutschen zu geraten. Lange könnte er sie nicht mehr halten.
    »Los, Marinel! Stemm die Füße gegen die Wand!«
    Marinel versuchte es, doch ihre Stiefel glitten immer wieder von der Eiswand ab. Ihr Körper schlingerte hin und her, und Valuars Griff um ihr Handgelenk wurde schwächer.
    »Hör auf.« Mit aller Kraft schloss er seine Finger um sie. »Ich ziehe dich hoch.« Es musste funktionieren, sie hatten keine andere Möglichkeit. Er würde es schaffen.
    Marinel blickte wieder zu ihm auf, und Valuar fragte sich plötzlich, weshalb er vorige Nacht so lange gezögert hatte. Weshalb hatte er sie nicht einfach geküsst? Er hätte es tun müssen!
    Doch dann fiel sein Blick auf die abgewetzte Lederschnur an ihrem Hals. Ein Stück Metall baumelte daran, ohne genaue Form oder Farbe. Es war einfach nur ein Stück … Müll. Abfall. Und Valuar begriff, dass sie ihn zurückgewiesen hätte. Egal, was er getan hätte, sie würde immer nur jenen Valdoreener lieben, der längst gestorben war.
    Valuar starrte auf den Anhänger. Er konnte nicht fassen, dass sie solch ein nutzloses Ding wertschätzte. Einen Talisman nannte sie es. Nun, besonders viel Glück hatte er ihr nicht gebracht.
    Das Eis in seiner Brust kehrte zurück, bohrte sich wie ein frostiger Splitter in sein Herz.
    Marinel starrte ihn an, doch Valuar sah sie kaum noch, ein Schleier legte sich über seine Augen, ein Krampf fuhr in seine Hand. Sie hätte alles von ihm haben können, hätte sein Herz haben können, aber sie hatte darauf gespuckt. Sie hatte den Tod gewählt statt des Lebens. Den Tod.
    Seine Finger öffneten sich. Marinels Mund klappte auf, doch kein Schrei erscholl. Der Umhang rutschte durch seine Hand. Valuar zuckte zusammen, das Entsetzen fuhr ihm wie Eiswasser durch die Adern. Er versuchte noch zuzugreifen, doch er ertastete lediglich Luft. Marinel fiel … lautlos, stumm.
    Mit einem erstickten Laut fuhr er zurück und rang um Atem. Seine Hände fuhren an seine Kehle, er bekam keine Luft, sein Hals war wie zugeschnürt, ein Pochen dröhnte durch seinen Kopf. Röchelnd und um Luft kämpfend rollte er sich auf den Rücken und lag dahingestreckt auf dem Eis. Der weißblaue Himmel wie eine Decke über ihm. Er konnte nichtglauben, was soeben geschehen war. Er konnte nicht atmen, hier oben gab es keinen Sauerstoff, er würde ersticken. Er hatte sie losgelassen. Seine Hand. Er hatte einfach losgelassen!
    Valuar presste die Augen zusammen und konzentrierte sich auf seine Atmung. Er brauchte Luft, musste seine Lungen nähren, die kurz vor dem Explodieren standen. Sein Brustkorb hob und senkte sich rasend schnell, sein Hals schmerzte. Ruhig, mahnte er sich selbst. Ganz ruhig, atme, konzentriere dich, denk nach.
    Es war still, das Pfeifen seines abgehackten Luftholens war das einzige Geräusch in dieser unendlichen Weite des Himmels. Nur schleichend wurde es gleichmäßiger und ruhiger.
    Valuar öffnete die Augen. Er zitterte am ganzen Leib. Langsam hob er die rechte Hand und hielt sie vor sein Gesicht. Die Hand war leer, hielt nichts mehr fest. Dann hob er die andere Hand. Diese war rot, blutverschmiert. Das scharfkantige Eis hatte sich hineingeschnitten, als er sich daran festgehalten hatte.
    Ungläubig blickte er zwischen den beiden Händen hin und her, als wären es nicht die seinen. Eine von ihnen hatte getötet, doch es klebte kein Blut an ihr. Sie war rein.
    Und wenn sie noch lebte?
    Mit einem Ruck setzte er sich auf und hielt den Atem an. Er lauschte. Rief sie um Hilfe? Konnte sie noch am Leben sein? Stille. Da war nichts.
    Wie tief war der Spalt gewesen? Er hatte es nicht erkennen können, es war zu dunkel gewesen, auch hatte er sich nicht wirklich darauf konzentriert. Alles war so schnell gegangen. Er hatte losgelassen.
    »Marinel«, flüsterte er und versuchte krampfhaft, seine rasenden Gedanken zu ordnen. Er musste nachsehen, musste wissen, ob sie noch lebte. Wenn sie noch am Leben war, mussteer ihr doch helfen. Doch was würde sie dann machen? Was, wenn sie ihn verriet? Er würde niemals ein Ritter werden und mit Schande zurück nach Valdoreen gejagt werden. Konnte er das seiner Familie antun? Und wenn sie ihn einsperrten oder gar hinrichteten? Aber wenn sie tot war … Er könnte sagen, sie wäre gefallen, er hätte sie nicht erreicht, ihn träfe keine Schuld. Aber vielleicht war sie ja doch noch am Leben. Vielleicht konnte sie sich später auch gar nicht mehr erinnern …
    Valuar schlang die Arme um seine Knie und hielt sie fest
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