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Elefanten vergessen nicht

Elefanten vergessen nicht

Titel: Elefanten vergessen nicht
Autoren: Agatha Christie
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begriff, worauf Mrs Oliver hinauswollte.
    »So überlegte ich, dass wir uns eigentlich an die Leute wenden müssten, die wie die Elefanten sind. Denn Elefanten, so sagt man, vergessen nie.«
    »Ja, das habe ich schon gehört«, pflichtete Poirot bei.
    »Elefanten vergessen nie«, wiederholte Mrs Oliver. »Kennen Sie die Geschichte, die man den Kindern immer erzählt? Jemand, ein indischer Schneider, stach eine Nadel oder so was Ähnliches in den Stoßzahn eines Elefanten. Nein. Nicht in den Stoßzahn, in seinen Rüssel natürlich, in den Elefantenrüssel. Als der Elefant mal wieder vorbeikam, hatte er das Maul voll Wasser und spritzte den Schneider nass. Obwohl er ihn jahrelang nicht gesehen hatte! Er hatte nicht vergessen. Er erinnerte sich. Das ist es, sehen Sie! Elefanten erinnern sich. Was ich jetzt tun muss… Ich muss auf Elefantensuche gehen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe«, warf Hercule Poirot ein. »Wen bezeichnen Sie als Elefanten? Es klingt, als ob Sie sich die Informationen aus dem Zoo holen wollten.«
    »Nun, das nicht gerade«, sagte Mrs Oliver. »Ich meine nicht die Elefanten selbst, sondern die Art, wie manche Leute bis zu einem gewissen Grad Elefanten gleichen. Da gibt es Leute, die sich wirklich erinnern. – Man erinnert sich doch an die merkwürdigsten Sachen. Ich zum Beispiel erinnere mich an eine Menge Dinge sehr gut. Ich erinnere mich an mein Geburtstagsfest, als ich fünf wurde, und an den rosa Kuchen – einen wunderschönen rosa Kuchen. Es war ein Vogel aus Zucker drauf. Und ich erinnere mich an den Tag, an dem mein Kanarienvogel entflog und ich weinte. Und an einen andern Tag, als ich auf ein Feld lief, und da war ein Stier und jemand sagte, er würde mich aufspießen. Ich war außer mir vor Angst. Es war an einem Dienstag. Ich weiß nicht, wieso ich mich ausgerechnet daran erinnere, aber es war wirklich ein Dienstag! Da fällt mir ein herrliches Brombeeren-Picknick ein. Ich wurde furchtbar zerstochen, aber ich hatte mehr Brombeeren gesammelt als alle anderen. Es war herrlich! Damals war ich, glaube ich, neun Jahre alt. Aber man braucht gar nicht so weit zurückzugehen. Ich bin in meinem Leben auf vielen Hochzeiten gewesen, aber wenn ich so zurückdenke, dann erinnere ich mich nur an eine oder zwei genau. Bei einer war ich Brautjungfer. Sie fand in New Forest statt, ich weiß nicht mehr, wer alles da war. Ich glaube, eine meiner Cousinen heiratete. Ich kannte sie eigentlich nicht besonders gut, aber sie wollte viele Brautjungfern und, nun, ich kam ihnen eben gelegen. Da fällt mir noch eine andere Hochzeit ein. Von einem Freund bei der Marine. Er wäre beinahe mit einem Unterseeboot untergegangen, aber dann wurde er gerettet und die Eltern seiner Verlobten, die erst gegen die Heirat waren, waren danach einverstanden. Auch da war ich Brautjungfer. Ich will damit bloß sagen, dass es immer Dinge gibt, an die man sich erinnert.«
    »Jetzt begreife ich, was Sie meinen«, erklärte Poirot. »Sehr interessant. Sie gehen also à la recherche des éléphants?«
    »Richtig. Ich muss nur noch das genaue Datum wissen.«
    »Da«, sagte Poirot, »kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
    »Außerdem muss ich überlegen, welche Leute ich damals kannte und welche die gleichen Freunde wie ich hatten und auch General Ravenscroft kannten. Leute, die sie vielleicht im Ausland trafen und die ich ebenfalls kannte, wenn ich sie auch lange Jahre nicht mehr gesehen habe. Die Menschen freuen sich immer, wenn plötzlich jemand aus der Vergangenheit auftaucht, auch wenn sie sich nicht besonders gut an ihn erinnern. Dann unterhält man sich über alte Zeiten, was damals geschah, und an was man sich noch erinnert.«
    »Sehr aufschlussreich«, sagte Poirot. »Ich finde, Sie sind gut gerüstet für Ihr Vorhaben. Es geht also um Leute, die in der Gegend wohnten, wo sich das tragische Ereignis abspielte, oder die dort gelebt haben könnten. Schwieriger ist es wohl, auf das Thema selbst zu sprechen zu kommen. Man müsste verschiedene Taktiken probieren. Zum Beispiel ein kleines Gespräch anfangen über das Geschehene, über ihre Vermutungen und über das, was damals geredet wurde. Ob der Mann oder die Frau möglicherweise eine Liebesaffäre hatte. Über Geld, das jemand geerbt hat. Ich glaube, Sie könnten eine ganze Menge zusammenkratzen.«
    »Du meine Güte«, rief Mrs Oliver. »Ich habe wirklich Angst, dass ich eine Schnüfflerin bin!«
    »Sie haben einen Auftrag bekommen«, erklärte Poirot, »zwar
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