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Eiskalt Wie Die Suende

Eiskalt Wie Die Suende

Titel: Eiskalt Wie Die Suende
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brauner Sommerwolle glatt. „Ah, und Mr. Hitchens erweist uns auch die Ehre. Wie reizend von Ihnen, uns einen kleinen Besuch abzustatten – ein wahrlich seltenes Vergnügen. Möchten Sie sich vielleicht zu uns setzen und ein Tässchen trinken?“, fragte sie und hielt die kleine Teekanne hoch.
    Haushälterin und Kammerdiener standen an der Tür zum Kinderzimmer und blinzelten ungläubig. Nachdem er noch kurz seinen missbilligenden Blick hatte schweifen lassen – das mit kleinen Kindermöbeln im Rokokostil eingerichtete Zimmer war seit gestern mit schneeweißen Linnenlaken verhängt, die indes keinen Zweifel an seiner ausgesuchten Pracht ließen –, wandte Hitchens sich mit regloser Miene um und schritt schweigend davon. So blieb es Mrs. Mott überlassen, Gracie und Eileen mit grimmigem Missfallen zu bedenken, als die beiden aus ihrem Bettlakenzelt hervorgekrochen kamen und sich artig aufstellten.
    Die betagte Haushälterin straffte die Schultern und hielt sich kerzengerade, die Hände vor dem Bauch gefaltet, als sie Nell kühl mitteilte: „Sie werden unten erwünscht. Im Musikzimmer wartet ein Constable Skinner, der Sie sprechen möchte.“
    Skinner. Dieses furchtbare kleine Frettchen. Was um alles in der Welt könnte er von ihr wollen?
    Nell konnte sich schon denken, weshalb Mrs. Mott den ungebetenen Gast in das Musikzimmer abgeschoben hatte, anstatt ihn im vorderen Salon warten zu lassen, wie es eigentlich üblich war. Der Salon ging nämlich auf die Prachtstraße hinaus – jenen vornehmen Abschnitt der Tremont Street, der auch als Colonnade Row bekannt war – und hatte große, hohe Fenster, die an einem so schwülwarmen Sommermorgen wie diesem weit offen stehen dürften. Das Musikzimmer dagegen ging auf eine nur wenig frequentierte Seitenstraße hinaus. Selbst wenn auch dort die Vorhänge zurückgezogen wären, so würden wohl nur wenige Passanten vorbeikommen und den Polizisten bemerken, der den ehrwürdigen Hewitts zu so früher Stunde einen Besuch abstattete.
    â€žIch komme gleich herunter“, sagte Nell.
    â€žSehen Sie zu, dass Sie sich beeilen mit diesem … Gentleman“, sagte Mrs. Mott. „Es wurde ausdrücklich darum gebeten, dass wir alle um Punkt zehn zur Abreise bereit sind. Ihnen bliebe also nicht mal mehr eine ganze Stunde, um …“
    â€žAber ja doch, unser Gepäck steht schon längst in der Eingangshalle bereit“, unterbrach sie Nell. „Nur wollten wir vor der langen Reise noch ein wenig Tee trinken.“
    Gracie hob ihre winzig kleine Tasse, als wolle sie der Haushälterin zuprosten, und setzte sie dann teedurstig an ihre Lippen. Mrs. Mott bedachte das kleine Mädchen mit einem durchdringenden Blick. Ihre Nasenflügel bebten lautlos, bevor sie sich umdrehte und davonstolzierte.
    â€žMiss Sweeney“, fragte Gracie, während sie sich bückte, um Clancy hochzuheben, „was ist ein Bastard?“
    Eileen schaute Nell an und biss sich verlegen auf die Unterlippe, denn sie wusste natürlich sehr wohl, was ein Bastard war. Allerdings dürfte ihr bislang nicht bekannt gewesen sein, dass Viola Hewitts Adoptivtochter das illegitime Kind eines ihrer Hausmädchen war – und noch dazu das illegitime Kind eines Hewitt! Viola hatte den Bediensteten von Anfang an verboten, über Gracies Herkunft zu sprechen, doch Mrs. Mott und Hitchens standen ganz eindeutig über derlei Beschränkungen. Und Gracie glaubte bislang, dass ihre Nana sie sich ausgesucht hatte, weil Gracie etwas ganz Besonderes war und ihre Nana sich nach vier Söhnen endlich eine kleine Tochter gewünscht hatte.
    â€žAlso, ein Bastard …“, setzte Nell zögerlich an. Während sie überlegte, strich sie über Gracies zu Zöpfen geflochtenes Haar, das ebenso schwarz glänzte wie das ihres Vaters. „Das ist einfach nur so ein dummes Wort für ein kleines Kind. Eigentlich bedeutet es gar nichts.“
    Das Mädchen nickte wenig überzeugt und schmiegte seine Nase in das Fell des kleinen Hundes, der eifrig versuchte, es am Kinn zu lecken. „Und was ist ein Arbeitshaus?“ Gracie war mittlerweile in einem Alter, wo der Fragen kein Ende war, wenn sie erst einmal begonnen hatten.
    Eileen sah Nell mit bangem Blick an, als wundere sie sich, wie sie das wohl beantworten wolle.
    â€žOh, das“, sagte Nell. „Das ist ein großes Haus auf einer
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