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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung
Autoren: Sandra Henke
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pflegen.
    Zu diesem Zeitpunkt würde sie noch immer hier auf dem Mount Jackson weilen. Um auf Roque zu warten, sollte er jemals zurückkehren. Wo sonst sollte er sie suchen? Ihre Hoffnung schwand mit jedem Tag ohne ihn. Durch die Einsamkeit auf dem Berg vergrub sie sich immer mehr in ihrer Trauer, sie tat ihr nicht gut.
    Dennoch blieb sie. Wegen Roque. Sie konnte nicht glauben, dass sie sich nie wiedersehen würden. Nein, das war unmöglich. Sie gehörten zusammen. Ihr Herz glaubte so stark daran, dass sie morgens aufstand, obwohl sie sich am liebsten nie wieder erhoben hätte – nicht, wenn er nicht bei ihr war.
    Etwas flog über sie hinweg, etwas Großes, sehr Großes.
    Shades Herz machte einen Sprung. Von einer Sekunde auf die andere raste ihr Puls wie verrückt. Ihr wurde heiß, dabei kehrte der echte Winter langsam im Bridgeport Valley ein und brachte nachts bereits den ersten Frost. Die Sonne zeigte sich nur noch selten, und wenn, dann tat sie sich schwer, die Luft zu erwärmen. Doch der Schatten über ihrem Kopf entpuppte sich als Weißkopfseeadler, der immer öfter ihre Nähe suchte, als spürte er, wie einsam sie war. Normalerweise waren die Tiere sehr scheu. Es war ein Wunder, dass er sie akzeptierte, aber nicht das Wunder, das sie sich herbeisehnte.
    Shade packte gerade den Laubbesen und Rechen, mit denen sie das Grab von den Herbstblättern befreit hatte, um in die Hütte zurückzugehen, als ein Mann sagte: »Ich habe etwas Zeit gebraucht.«
    Erschrocken ließ sie ihr Gartenwerkzeug fallen. Sie wandte sich um. Tränen brannten in ihren Augen, aber sie wagte nicht, zu ihm zu gehen und ihn zu berühren, weil sie Angst hatte, dass sie vor Sehnsucht halluzinierte.
    »Ich habe etwas Zeit gebraucht«, wiederholte Roque und wischte, offensichtlich aufgeregt, mit seinen Handflächen über seine schwarze Jeans, »weil das Eisige Reich mich dort ausspuckte, wo ich 1992 mit meinem Wagen verunglückt war.«
    Shade zitterte am ganzen Körper. »Du hättest anrufen können.«
    Entschuldigend breitete er seine Arme aus. Seine braune Jacke knarrte, wie es nur Leder tat. »Ich kenne deine Nummer nicht und wusste nicht einmal, ob du dich noch in Bridgeport aufhältst. Beim Sheriff’s Office hätte ich mich schlecht erkundigen können.« Er zwinkerte. »Kleidung und die Reise von Texas nach Kalifornien musste ich auch erst organisieren.«
    Steif, als wären ihre Glieder eingefroren, ging sie auf ihn zu, aber er war schneller bei ihr als sie bei ihm. Ihre Wangen waren längst nass. »Deine Flügel …«
    »Sie sind weg, genauso wie meine magischen Kräfte.« Zärtlich strich er über ihr Haar.
    Shade kam sich so dumm vor. Warum schlang sie nicht ihre Arme um ihn? Wieso hielt sie ihn nicht so fest, dass er keine Luft mehr bekam, wie sie es sich Tausende Male vorgestellt hatte? Die Fassungslosigkeit lähmte sie. Vielleicht befürchtete sie auch zusammenzubrechen.
    Vorsichtig berührte sie Roque. Er verpuffte nicht, er war keine Illusion, sondern real. Ein Beben brandete durch sie hindurch. »Du lebst.«
    Sein Lächeln wurde immer breiter. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und betrachtete sie voller Verlangen. »Ich lag falsch. Als die Eishülle um mein Herz schmolz, dachte ich, es würde aufhören zu schlagen, weil mein Herr mich nur durch seine übernatürliche Macht am Leben hielt.« Zärtlich küsste er ihre Stirn. »Aber das wollte er mich nur glauben machen. In Wahrheit verlor er seine Kontrolle über mich. Dank deiner Zuneigung taute ich auf.« Roques Lippen streiften ihre Ohrmuschel. »Ich erwachte aus meiner Kältelethargie, und die Lebensenergie floss in mich zurück, ein schmerzhafter Prozess wie eine Geburt.« Er platzierte einen Kuss auf ihrer Nasenspitze. »Der Teufel musste mich gehen lassen, er hatte keine andere Wahl.«
    »Dann bist du frei?« Endlich klang Shades Stimme fester. Sie beruhigte sich, krallte ihre Finger in seine Jacke, damit er sich auch ja keinen einzigen Zentimeter von ihr entfernte, und schmachtete ihn an.
    Schweigend nickte er. Sein Daumen zeichnete behutsam ihre Unterlippe nach.
    »Wirst du bei mir bleiben … für immer, Roque?«
    »Wenn du das möchtest?«
    »Wenn du das möchtest?«, gab sie die Frage zurück, stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und grinste ihn kess an. Sie schmiegte sich eng an ihn und beschwerte sich auch nicht, dass er seine Arme so eng um sie schlang, dass sie kaum noch atmen konnte, denn das bewies ihr nur, wie sehr er sie begehrte.
    Leidenschaftlich drückte
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