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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung
Autoren: Sandra Henke
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Handfläche bohrten, denn das Adrenalin pumpte heiß durch ihre Adern.
    Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie Roques Aufschrei nur gedämpft wahrnahm, als wäre der Engel meilenweit entfernt.
    Sie machte den Fehler und schaute in seine Richtung. Dadurch ließ sie den Sheriff aus dem Blick.
    »Es tut mir leid«, wiederholte Roque einige Male.
    Plötzlich verzerrte sein Gesicht sich vor Schmerz. Die erste Kugel traf seine Schulter und riss diese zurück, die beiden nächsten drangen in seinen Bauch ein, und weitere bohrten sich in seinen Brustkorb.
    Hartcourt hatte seine Pistole gegriffen und feuerte auf den Eisengel.
    Mit weit aufgerissenen Augen, unfähig, sich zu rühren, starrte Shade die Löcher in Roques Oberkörper an. Sie beobachtete erschüttert das Blut, das zäh herausfloss und seine Haut mit roten Schlieren überzog. Ihr Mund war geöffnet, aber noch kam kein Laut über ihre Lippen.
    Stöhnend brach Roque zusammen. Mit geschlossenen Augen fiel er auf die Knie, presste seine Arme auf den Brustkorb und kippte zur Seite. Reglos blieb er auf seinen Schwingen liegen.
    Shade schrie ihren Kummer, ihr Entsetzen und ihre Verzweiflung heraus. Sie war sich sicher, dass Roque diesen Beschuss überlebt hätte, wäre seine Konstitution noch so gewesen wie damals, als sie sich im Wald zum ersten Mal getroffen hatten – mit einer Haut wie Marmor und einem Schutzpanzer aus Eis. Doch die Zeit auf der Erde hatte ihn verändert, schwach und angreifbar gemacht. Sie fühlte sich schuldig, denn sie hatte ihn durch ihre Liebe menschlicher gemacht. Ihr Schrei ging in Schluchzen über. Ihr schlechtes Gewissen lastete schwer auf ihr. Jetzt hatte sie neben Kid auch Roque auf dem Gewissen.
    Dennoch gab es ein größeres Monster als sie in diesem Raum, eines, das nicht davor zurückschreckte zu morden, um seine Karriere voranzutreiben. Und es hockte direkt neben ihr.
    Obwohl Roque bereits tot dalag, schoss Earl Hartcourt ein weiteres Mal auf ihn.
    Der Zorn wallte so rasch in Shade auf, dass Schweiß ihre Wirbelsäule hinablief und sie glaubte, innerlich zu verbrennen. Sie biss ihre Zähne aufeinander, bis ihre Kiefer wehtaten.
    Noch immer hielt der Sheriff seine Dienstwaffe in der Hand und richtete sie auf den Engel. Sein Finger am Abzug krümmte sich erneut.
    Da sah Shade rot. Sie kreischte wie eine Furie. Wie von Sinnen boxte sie auf seinen Schädel ein, sodass Hartcourt auswich und sein Oberkörper nach hinten kippte.
    Er lag auf dem Rücken vor ihr und hob instinktiv schützend die Arme vor sein Gesicht, obwohl er noch immer seine Pistole festhielt und nur auf sie hätte schießen brauchen.
    Ihr Blick fiel auf eine Feder, die in der Nähe auf dem Boden lag. Sie musste sich aus Roques Flügel gelöst haben, als er durch das Oberlicht eingebrochen war. Ohne darüber nachzudenken, nahm Shade sie und rammte Hartcourt den langen Kiel in die Brust. Scharf und spitz wie ein Eispickel glitt er mühelos durch das Hemd und das Fleisch.
    Erschrocken packte der Sheriff die Feder. Doch als Shade ihm den Revolver aus der Hand schlug, knickte sie ab. Der Kiel blieb in ihm stecken. Nun konnte er ihn auf keinen Fall mehr herausziehen. Sein Körper verkrampfte sich. Sein Gesicht lief hochrot an und sah aus, als würde es jeden Moment explodieren. Eine blaue Ader trat auf seiner Stirn hervor. Immer wieder krampfte er. Er zuckte, als würde er mit Stromstößen gefoltert werden.
    Shade rutschte von ihm weg, bestürzt darüber, was sie getan hatte, und dennoch froh, über ihn gesiegt zu haben. Die Gefühle in ihr fuhren Achterbahn. Er hatte den Tod verdient, denn er hatte Arthur ermordet, Bill Gold dem Tod durch Erfrieren überlassen, viele Menschen, darunter seine eigene Ehefrau, ins Unglück gestürzt und ihr selbst das Liebste auf der Welt genommen. Dennoch war es falsch, was sie getan hatte.
    Es interessierte sie nicht, dass sie dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hatte und mit dem Leben davongekommen war. Wie sollte sie nur mit dem Schmerz zurechtkommen, Roque verloren zu haben?
    Sie ertrug es nicht länger, Hartcourts Todeskampf mitanzusehen, und schleppte sich zu dem – ihrem – Eisengel. Stumme weinte sie. Sie kniete sich neben ihn und bettete seinen Kopf auf ihren Schoß. Ihre Trauer fraß sie auf. Ihre Tränen tropften auf Roques Stirn und liefen in seine Haare.
    Hinter ihr röchelte Hartcourt, er gab einen Laut von sich, der sie erschaudern ließ, danach blieb es ruhig.
    Als Roque plötzlich seine Augen öffnete, erschrak
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