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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Arnaldur Indriðason
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einmal?«
    »Es war Zufall. Ich habe auf einem Grabstein das Todesdatum dieser Frau gesehen und dann zwei und zwei zusammengerechnet. Ich brauchte nur ein kleines Loch am Grab der alten Frau zu graben, Ezra, das hat genügt. Ich habe die sterblichen Überreste von Matthildur gefunden, Ezra. Ich habe sie gefunden. Die Ungewissheit ist vorbei.«
    Der Griff um die Schrotflinte lockerte sich nicht.
    »Sie wird nicht wiederkommen, Ezra, sie ist für immer und ewig fort«, sagte Erlendur. »Sie ist tot. Ich habe das gesehen, was von ihr übrig blieb.«
    »Wieso bist du dir so sicher, dass sie es ist?«, hörte er Ezra fragen.
    »Ezra, sie ist es.«
    »Wieso bist du dir so sicher?«
    »Glaube mir«, sagte Erlendur. »Ich habe Matthildur gefunden. Dein Messer war bei ihr, Ezra. Sie ist es.«
    Ezras Reaktion überraschte ihn zunächst, doch dann begriff er das Zögern, das sich hinter Ezras Worten verbarg. Er hatte ganz ähnlich empfunden, als er die kleinen Knochen in Daníels Pappschachtel erblickt hatte. Er hatte gespürt, dass irgendein ungeschriebenes Gesetz des Unveränderlichen verletzt worden war. Er hatte es von seinen Banden befreit und das Uhrwerk des Daseins wieder in Gang gesetzt. Ihm war bewusst, dass Ezra etwas Zeit brauchte, um sich in diese neue, veränderte Situation hineinzufinden. Das konnte nicht so im Handumdrehen geschehen.
    »Wäre es möglich, Licht zu machen?«, fragte Erlendur.
    »Nein«, hörte er Ezra sagen.
    »Was hast du mit der Schrotflinte vor, Ezra?«, war seine nächste Frage.
    »Hast du wirklich Matthildur gefunden?«, war Ezras Gegenfrage.
    »Jakob hat sie in ein offenes Grab auf dem Friedhof gelegt«, sagte Erlendur. »Es hätte nicht einfacher für ihn sein können. Und das Grab war auch noch ziemlich neu, als du ihm zwei Monate später auf dem Friedhof begegnet bist, als er dir gegenüber das eine oder andere angedeutet hat. Wahrscheinlich hat er sich dabei noch amüsiert, genau an diesem Ort, wo er sicher sein konnte, dass niemand sie finden würde. Das Grab hatte er vermutlich schon ausgehoben, als er Matthildur umgebracht hat. Und er machte sich das Unwetter zunutze, um die Lügengeschichte über ihre Wanderung nach Reyðarfjörður zu erfinden. Danach brauchte er nur noch den richtigen Moment abzupassen, um sie in das Grab zu legen. Es kann sich nur um Matthildur handeln. Ihr Grab brauchte ja auch nicht tief zu sein. Ich habe mich nur zwei Spatenstiche tief hinuntergraben müssen.«
    Der Druck des Gewehrlaufs an Erlendurs Kinn ließ etwas nach.
    »Das verfluchte Scheusal!«, hörte er Ezra flüstern.    
    »Jakob wusste ganz genau, was er tat.«
    Erlendur griff nach dem Lauf der Flinte, und es gelang ihm mühelos, sie Ezra aus der Hand zu nehmen. Der alte Mann wich zurück und stolperte. Die Taschenlampe fiel zu Boden und erlosch. Erlendur legte die Schrotflinte auf den Boden.
    »Warum ist hier kein Licht?«, fragte er.
    »Es hat einen Kurzschluss gegeben.«
    »Was wolltest du hier im Finsteren mit der Schrotflinte?«
    »Erzählst du mir nicht einfach irgendwelche Lügen?«
    »So wahr ich hier stehe – nein.«
    »Und was hast du gesehen?«
    »Genug. Du musst die Entscheidung über ihre letzte Ruhestätte treffen.«
    »Er hat sie in das offene Grab geworfen«, flüsterte Ezra. »Der Totengräber auf dem Friedhof. Mein Gott, das hätte ich mir auch selber denken können. Das springt einem geradezu in die Augen, jetzt, wo man es weiß. Natürlich hat er den Friedhof gewählt. Ich war mir nur so sicher, dass er sie irgendwo auf dem Meer versenkt oder in eine tiefe Schlucht geworfen hatte. Ich bin einfach nicht auf den Friedhof gekommen, dass er sich den zunutze gemacht hat.«
    Ezra schwieg lange.
    »Sollte man sie noch einmal richtig beerdigen?«, fragte Ezra.
    »Hast du etwa immer noch Angst, dass alles über dich ans Licht kommt?«, fragte Erlendur zurück. »Dass deine tragische Geschichte hier die Runde in der ganzen Gegend macht?«
    »Ich denke nicht an mich selber«, sagte Ezra. »Wahrscheinlich sollte ich dir für all das danken, was du getan hast. Ich habe … Ich bin noch nie einem so hartnäckigen Menschen wie dir begegnet.«
    »Von mir erfährt niemand etwas, darauf kannst du dich verlassen«, sagte Erlendur. »Was du jetzt machst, ist ganz allein deine Sache. Nun weißt du, wo sie ist, du kennst die ganze Geschichte, weißt alles über ihr Schicksal, und nach all diesen Jahren kannst du Abschied von ihr nehmen, auf welche Weise auch immer du das tun
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