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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Arnaldur Indriðason
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möchtest.«
    »Ich sollte … Ich sollte mich wahrscheinlich trotz allem bei dir bedanken«, wiederholte Ezra.
    »Mach dir darüber keine Gedanken.«
    »Entschuldige bitte, dass ich dir hier jedes Mal so einen merkwürdigen Empfang bereite, ich ha…«
    »Ich verstehe dich vollkommen«, unterbrach Erlendur ihn. »Es ist kein Vergnügen, solche Kerle wie mich zu Besuch zu bekommen. Das weiß ich selber am besten.«
    Im Dunkel des Zimmers sah Erlendur, wie Ezra am Küchentisch stand und sich aufstützte.
    »Möchtest du, dass ich jetzt mit dir dorthin fahre?«, fragte Erlendur. »Es ist allerdings schon ziemlich spät.«
    »Gerne, ich nehme dein Angebot an. Natürlich war mir die ganze Zeit klar, dass sie tot war, ich habe nie der Versuchung nachgegeben, von etwas anderem zu träumen. Aber es … Es ist gut zu wissen, wo sie sich befindet. Es ist gut, sie an diesem Ort zu wissen.«

Neunundfünfzig
    Ohne jede Eile fuhr Erlendur im Dunkeln mit dem alten Mann zum Friedhof. Keiner von beiden sagte auf dem Weg dorthin ein Wort. Ezra saß zusammengesunken auf dem Beifahrersitz, und Erlendur überlegte, was er in dem finsteren Haus mit der Schrotflinte vorgehabt hatte. Er hatte ihn gefragt, ob er vielleicht jemanden anrufen sollte, der bei ihm bleiben könnte, falls Ezra nicht allein sein wollte. Ezra hatte das abgelehnt und ihm erklärt, er solle sich nicht in seine Angelegenheiten einmischen. Daraufhin hatte Erlendur kein Wort mehr darüber verloren. Er wusste nicht, wie Ezra reagieren würde, wenn er plötzlich Antwort auf Fragen erhielt, die ihn jahrzehntelang gequält hatten, eigentlich sein ganzes Leben lang. Einerseits war es sicher eine Erleichterung für ihn, aber andererseits würde nun wohl auch die tiefe Trauer über Matthildurs Schicksal mit neuer Heftigkeit über ihn hereinbrechen. Endlich lag die tragische Geschichte von Anfang bis Ende offen zutage, und sie war nicht weniger grausam, auch wenn seitdem viele Jahrzehnte vergangen waren.    
    Erlendur hielt beim Friedhof und stellte den Motor ab. Sie blieben noch eine ganze Zeit im Wagen sitzen, ohne etwas zu sagen, bis Erlendur das Schweigen brach.
    »Also, wollen wir aussteigen?«, sagte er.
    Es war, als sei Ezra wieder in einer anderen Welt.
    »Ezra?«, fragte Erlendur.
    »Ja.«
    »Wollen wir los?«
    Als Ezra ihn ansah, bemerkte Erlendur, dass der alte Mann mit den Tränen kämpfte.
    »Ich … Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, sagte Ezra.
    »Ja, das verstehe ich gut. Ich kann dich auch einfach wieder nach Hause bringen, und dann kommst du morgen wieder. Oder wann immer du möchtest. Und wie ich vorhin gesagt habe, all diese Informationen kannst du entweder für dich behalten oder darüber sprechen, mit wem auch immer du möchtest.«
    Sie blieben weiter schweigend im Auto sitzen. Zwischen den dunklen Wolkenbänken hatte sich eine Lücke aufgetan, und der Friedhof lag im bleichen Schein des Mondes da. Das Mondlicht schien Ezra neue Kraft zu geben. Er blickte lange auf die Kreuze und Grabsteine von Menschen, die er im Laufe seines Lebens kennengelernt hatte. Bei einigen von ihnen hatte er am Grab gestanden, ohne zu ahnen, wie nahe ihm Matthildur gewesen war.
    »Ja, gehen wir«, sagte er schließlich und öffnete die Tür.
    Sie stiegen aus, und Erlendur ging ihm voraus auf den Friedhof zum Grab von Þórhildur.
    »Hier unten liegt Matthildur«, sagte er. »Man sieht noch die Spuren meiner Arbeit.«
    Ezra starrte auf den Grabstein und versuchte im Schein des Mondes, die Beschriftung zu entziffern, Namen und Todestag von Þórhildur. Dann sah er hinunter auf das Grab und kniete nieder.
    Erlendur wendete sich ab und ging zum Grab seiner Eltern, um den alten Mann nicht zu stören. Eine Sache war noch unerledigt, und die wollte er noch in dieser Nacht hinter sich bringen. Aus einiger Entfernung beobachtete er den alten Mann, der am Grab der Frau kniete, die er vor vielen Jahren geliebt hatte. Es war Erlendur gelungen, die beiden wieder zusammenzubringen, auch wenn der Tod sie schied. Es kam ihm fast so vor, als hätte er der Geschichte von Ezra und Matthildur ein Grabmal gesetzt.
    Ezra stand auf und schlug ein Kreuzzeichen über dem Grab. Erlendur ging zu ihm.
    »Würdest du mich jetzt wieder nach Hause bringen?«, fragte Ezra.
    »Selbstverständlich. Ich kann mir vorstellen, dass es eine schwierige Stunde für dich ist.«
    Ezra blickte ihn an.
    »Ich habe es wahrscheinlich verdient für das, was ich Jakob angetan habe«, sagte er.
    »Kannst du dich an
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