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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch
Autoren: von Werra Franz
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brauche.«
    Dann fragte er Werra: »Zigarette? Hier ist ein Streichholz! Lange nicht geraucht, was? Ja, das geht einem ab!«
    Es war das erste ordentliche Verhör Franz von Werras, seitdem er abgeschossen worden war. Er war ein wenig begierig darauf, zu wissen, was man von ihm wollte. Und da saß nun dieser hilflose alte Mann, rauchte, lächelte den Gefangenen sanft an und erkundigte sich: »Sie sind bei der deutschen Luftwaffe, nicht war?«
    Werra nickte ziemlich verständnislos. Er hatte schon eine Reihe von Hauptleuten und Majoren in der deutschen Wehrmacht gesehen, die reaktiviert worden waren, nach einem Leben als Tabakhändler oder Weinreisender, und die jetzt einen gepolsterten Stuhl in einem Büro drückten. Aber er hatte nicht angenommen, daß er solche Typen im britischen Nachrichtendienst finden würde. Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette. Vielleicht war das alles auch nur Tarnung. Vielleicht stellte sich der alte Herr so blöd. Vielleicht steckte in irgendeiner Frage eine Fußangel. Er beschloß, seine abwartende Haltung nicht aufzugeben.
    Doch eine Viertelstunde später war er es, der redete, eifrig, nach vorn gebeugt, mit rotem Gesicht. Natürlich sprach man nicht über militärische Dinge, Nein, dieser liebenswürdige alte Herr schien geradezu versessen darauf, soviel wie möglich über die deutsche Innenpolitik zu hören, über die Partei und ›Kraft durch Freude‹, über das Leben der deutschen Jugend. Möglicherweise gehörte er zu jenen Engländern, die insgeheim Hitler mit Bewunderung betrachteten.
    Die Spannung, die Werra erfüllt hatte, als er im Zimmer 13 wartete, war verschwunden. Also, sagte er sich, auch in England wird nur mit Wasser gekocht. Sie sind gar nicht so, diese Engländer. Nichts von Folter, Erpressung. Gebrüll. Der Feldwebel unten im Eingang des Palastes war einfach ein Flegel, McCormick ein Wichtigtuer. Von Werra holte tief Luft und stürzte sich auf eine neue Erklärung. Der alte Herr hatte nämlich die Frage angeschnitten: Habt ihr Deutsche diesen Krieg mit Recht angefangen?
    »Wir haben ihn nicht angefangen …«, sagte Werra. »England hat den Krieg erklärt … der Versailler Vertrag … die Abrüstung hat nie stattgefunden, nur wir haben uns daran gehalten … die Tschechen … die Polen.«
    »Sehr interessant«, sagte der Hauptmann, bot Zigaretten an und lieferte brennende Streichhölzer. »Very, very interesting!«
    »Deutschland hat seine ganzen Kolonien verloren«, sagte von Werra.
    »Stimmt«, sagte der Engländer, »Daran habe ich noch nicht einmal gedacht. Richtig, die Kolonien!« Er richtete sich auf und legte die Hände vor die Brust. »Leider bin ich heute zeitlich beschränkt. Ich will unser Gespräch noch einmal kurz rekapitulieren. Sie brauchen nur ja oder nein zu sagen. Der Angriff auf die Tschechen war gerechtfertigt? Ja. Auf die Polen? Ja. Auf die Norweger? Ja. Auf die Holländer, Belgier, Franzosen? Ja. Auf die Engländer – ich meine jetzt diese Luftangriffe. Sie sagten vorhin, das sei eine andere Sache, nicht wahr?«
    »Natürlich ist es eine andere Sache … das heißt, nein, es ist keine andere Sache … oder ist es doch … nein, der Angriff ist natürlich nicht gerechtfertigt. Übrigens habe ich vorhin gar nicht gesagt, daß das eine andere Sache sei.«
    »Nein?« fragte der Hauptmann verwundert, und in diesem Augenblick dämmerte es Werra. Er preßte die Lippen zusammen.
    So war das also. So wurde man aufs Kreuz gelegt, ehe man es merkte. Da ließ ihn dieser Kerl, dieser vermeintliche Trottel, einfach reden, und dann eine smarte Fangfrage, ganz nebenbei, und schon lag man auf dem Kreuz.
    Werra wußte jetzt zum ersten Mal, daß er in einem politischen und nicht in einem militärischen Verhör stand.
    »Noch eine Zigarette?« fragte der Hauptmann.
    »Danke«, sagte Werra und erhob sich. Der Hauptmann blickte auf und lächelte. »Es war eine nette Unterhaltung«, sagte er. Werra zuckte mit keiner Wimper.
    Wieder ging es mit dem Korporal durch die Korridore, vorbei an schweigenden MPs, an den schalldichten Mauern, über Treppen und durch Eisentüren.
    Zum zweiten Mal fiel die Tür von Nr. 13 hinter ihm ins Schloß. Er setzte sich auf den Stuhl und rauchte seine Zigarette zu Ende. Er wußte nicht, ob er mit sich selbst zufrieden oder unzufrieden sein sollte. –
    ***
    Der Hauptmann hatte das Fenster geöffnet, um den Qualm der Zigaretten hinauszulassen, saß hinter seinem Schreibtisch, als es klopfte, sagte »Herein!« und winkte dem
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