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Eine unzüchtige Lady

Eine unzüchtige Lady

Titel: Eine unzüchtige Lady
Autoren: Emma Wildes
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… Die geschwärzten Balken der niedrigen Decke rückten ihr zu nahe, und das raue Lachen eines betrunkenen Stammgasts drang mit misstönender Klarheit zu ihr. Der Gestank
nach schalem, verschütteten Ale hing wie ein Sargtuch über dem Raum.
    Ich sollte schleunigst verschwinden, dachte sie.
    Nein. Sie straffte sich und hob ihren Schleier, um rasch einen Schluck aus ihrem Glas zu nehmen. Das Leben, das sie bisher geführt hatte, war die erdrückende Existenz einer Frau, die nie ein Risiko einzugehen bereit war. Bisher hatte sich ihr nicht die Gelegenheit geboten - bis jetzt. Eine sündhafte, skandalöse Chance, etwas so Gewagtes und für ihren Charakter ganz und gar Untypisches zu tun, dass sie diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte. Die Gelegenheit, den Schaden wiedergutzumachen, den ein anderer ihrem Leben angetan hatte. Wenn sich die Dinge so entwickelten, wie sie es sich erhoffte.
    Zumindest solange der Duke und der Earl es nicht ablehnten, nachdem sie bemerkten, wer sie war. Sie vermutete, dass diese Möglichkeit bestand; aber um ehrlich zu sein, war sie die perfekte Person, um ihren absurden, männlichen Disput zu klären. Immer und immer wieder hatte sie diese Frage in Gedanken durchgespielt.
    Sie war Witwe, daher war es nicht so, dass die beiden eine unschuldige Frau ihrer Jungfräulichkeit beraubten.
    Sie wollte nichts von ihnen, außer dem sinnlichen Versprechen, das in der Natur ihrer Wette lag. Das würde sie den beiden unmissverständlich klarmachen.
    Sie war die letzte Frau, von der die Gesellschaft vermuten würde, dass sie den beiden half. Dieser Umstand würde ihr Interesse wecken. Ihr Ruf als eiskalte Schönheit allein sollte genügen, die Neugierde und das Verlangen der Männer zu wecken, damit sie die anmaßende Behauptung ihrer sexuellen Fähigkeit unter Beweis stellten. Oder nicht?
    Also. Das waren ihre Argumente.
    Würde sie diese überhaupt vorbringen müssen? Für zwei so
erfahrene Wüstlinge war ihre Bereitschaft vermutlich die einzige Aufforderung, der sie bedurften. Ihr Ruf war beinahe in Stein gemeißelt.
    »Mylady, Ihr habt einen Gast.« Der unterwürfige Gastwirt erschien in dem schiefen Türsturz und verschwand sogleich eilig. Er wurde durch eine hochgewachsene, dunkle Gestalt ersetzt. Ein Mann, der eine Sekunde lang zögerte, ehe er mit seiner gewohnt draufgängerischen Grazie den Raum betrat.
    Rothay.
    Der legendäre Duke trug dunkle Abendkleidung. Offensichtlich wollte er nach dieser Verabredung zu einer eleganteren Abendveranstaltung gehen.Vermutlich zum selben Ball, an dem auch sie später teilnehmen wollte. Nicholas Manning sah wie immer weltgewandt aus, elegant und ein wenig arrogant. Glänzend rabenschwarzes Haar, das nur leicht gewellt war, unterstrich die wohlgeformte Schönheit seiner Gesichtszüge: flaumige, geschwungene Brauen, eine gerade Nase und ein leicht kantiger Kiefer. Sein Mund - berüchtigt für dieses unverkennbare, böse Lächeln - verzog sich leicht, als er ihr verschleiertes Gesicht erblickte. Dunkle Augen begutachteten ihre Kleidung mit überraschender Offenheit. Sie meinte, Neugier in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
    Er war schön wie immer, so beeindruckend, wie man es sich hinter vorgehaltener Hand erzählte. Das leise Heben seines Mundwinkels war Teil seiner gefeierten Rolle. Sein Blick inspizierte ihren Halsausschnitt, und das Lächeln wurde etwas breiter.
    Gut, er war interessiert. Solange sie nicht die Nerven verlor und man ihr die Versprechungen machte, die sie brauchte, konnten sie schon bald ihren Handel besiegeln. Caroline begrüßte ihn mit gezwungen kühler Höflichkeit: »Guten Abend, Euer Gnaden.«
    Etwas flackerte in seinem Blick. Vielleicht glaubte er, ihre
Stimme zu erkennen. Er verbeugte sich höflich. Die Bewegung war fließend und wirkte geübt. Als er sich wieder aufrichtete, schien es, als befände sich sein Kopf nur knapp dreißig Zentimeter unter der niedrig hängenden Decke. »Guten Abend.«
    »Sollen wir auf Lord Manderville warten? Ich habe mir die Freiheit genommen, uns etwas Wein zu bestellen. Bitte bedient Euch. Ich habe darum gebeten, dass uns kein Hausdiener zur Verfügung gestellt wird. Es schien mir … klüger.«
    Welch eine ironische Wortwahl ihrerseits. Nichts von alledem, was sie gerade tat, war klug.
    »Natürlich. Was immer Ihr wünscht.« Er schenkte dem kleinen, einfachen Zimmer einen knappen Blick und wählte einen Stuhl. Mit einer fließenden, kraftvollen Bewegung setzte er sich und
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