Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
nicht mehr sprechen, deshalb hier noch ein paar Dinge, die ich dir sagen wollte. Erstens – es ist nicht deine Schuld. Ich hätte einfach nicht ohne dich starten dürfen. Ich hätte die blöde Sonde vergessen sollen, okay? Wenn ihre Funkeinheit einen Monat früher oder später ausgefallen wäre, hätte man sie schließlich auch abschreiben müssen. Ich weiß, dass du dir Vorwürfe machst, aber …«
    Sie hielt inne, spürte mit gepresster Stopptaste dem Aufwallen ihrer Gefühle nach. »Jim, weißt du – auch wenn das mit dem Sex nicht so unser Ding war, bin ich doch gern mit dir zusammen geflogen. Wirklich. Bitte behalt mich nicht als zickiges Ding in Erinnerung, sondern als Freundin. Versprich mir das. Und denk ab und zu an mich, wenn du deinen grünen Tee kochst.«
    Sie dachte noch eine Weile nach, aber das war es. Das war es, was sie noch zu sagen gehabt hatte. Nicht viel, wenn man es recht bedachte. Sie beendete die Codierung, schaltete das Gerät aber nicht ab.
    Es war immer noch kalt. Sie würde den Raumanzug wohl anbehalten müssen. Sie hätte etwas gegeben für eine warme Dusche und frische Wäsche, aber das, erkannte sie mit einer Klarheit, die sich in ihr auftat wie eine tiefe Schlucht, waren Dinge, die bereits unwiderruflich der Vergangenheit angehörten.
    Da war noch mehr, was abgeschlossen werden musste. Sie drückte wieder den Aufnahmeknopf. »Die nachfolgende verschlüsselte Aufnahme ist für Frederic Ridgewater, Sao Paulo, Erde. Ich bitte um persönliche Zustellung.«
    Frederics Briefcode wäre ihr beinahe nicht mehr eingefallen. Wie lange hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen? Ewigkeiten. Die große Liebe. Das große Drama ihres Lebens. »Frederic, hier ist Joan. Ich nehme an, wenn du diese Nachricht erhältst, wirst du es schon wissen. Während ich diesen Brief spreche, sitze ich in einem Rettungszelt auf Europa, dem zweiten Jupitermond – oder dem sechsten, je nachdem, welche Brocken man noch als Monde gelten lässt –, und in wenigen Stunden wird mein Sauerstoff zu Ende gehen. Genauer gesagt, der Energievorrat für mein Lebenserhaltungssystem, aber das ist nur ein technischer Unterschied. Ich …« Sie seufzte. »Dies wird mein letzter Brief an dich, und ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Soll ich sagen, pass bitte gut auf Cheryl auf? Das tust du doch ohnehin schon, all die Jahre. Besser als ich es gekonnt hätte. Sie ist ein prächtiges Mädchen geworden, wirklich … Ich weiß nicht mal, ob du inzwischen endlich wieder geheiratet hast. Das solltest du wirklich tun. Schau, wenn du das hörst, dann hat uns der Tod geschieden. Falls dir der amtliche Trennungsvertrag nicht genügt. Und Cheryl ist jetzt …«
    Ihr Daumen schimmerte elfenbeinfarben, so fest presste sie die Stopptaste, um einen entsetzten Aufschrei zu unterdrücken. Wie alt war Cheryl? Sie wusste nicht mehr, wie alt ihre Tochter war! Hastig rechnete sie nach. Geboren im Mai 2084, dann war sie jetzt … mein Gott, achtzehn. Und sie hatte ihren Geburtstag vergessen.
    Ihre Wangen brannten beinahe. »Frederic, ich merke gerade mal wieder, was für eine lausige Mutter ich bin. Es ist ein Wunder, dass Cheryl mich nicht hasst, und bestimmt verdankt sie das dir. Du bistein wunderbarer Mann, Frederic, und es tut mir leid, dass es so war, wie es eben war. Es ist nicht so, dass ich dich nicht geliebt hätte. Das habe ich. Aber unsere Vorstellungen vom Leben waren einfach zu verschieden, weißt du? Geliebt habe ich dich. Und ich weiß, dass du mich geliebt hast und immer noch liebst. Ich wollte immer, dass du mich trotzdem loslassen kannst, um selber glücklich zu werden, und … na ja. Jetzt musst du es.«
    Sie schaltete ab. War das schon die schlechter werdende Luft, die sie so erschöpfte? Oder war es etwas anderes?
    Vielleicht musste sie sich beeilen. Sie sprach eine Botschaft für ihre Tochter auf den Speicher. Ihre Tochter, die noch überlegte, ob sie Tänzerin werden oder Physik studieren sollte. Ihre Tochter, die sie das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen hatte. Joan sprach lange, zögerte oft, merkte, was sie alles nicht wusste über dieses Menschenkind, das sie geboren hatte, um es vier Jahre später zu verlassen und die Sterne zu bereisen. Was konnte sie ihr denn sagen? Außer dem, was sie ihr jedes Mal gesagt hatte, wenn sie sich gesehen hatten, und in fast jedem Brief: dass sie sie liebte und dass es ihr leidtat. Joan weinte, als sie die Aufzeichnung beendete, und fühlte sich allein wie noch nie zuvor im Leben. Was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher