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Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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schreiben war dann nur noch eine Sache von ein paar Tagen.
    Aber wie gesagt: Irgendwie scheint das nicht so zu klappen mit mir und den Jubiläen.
    Es sei eine amüsante Geschichte, schrieb mir der zuständige Redakteur, und einen Knalleffekt habe sie auch – aber der Bezug zu den Kernthemen der c’t sei doch sehr schwach. Copyright käme als Thema eigentlich nur in Verbindung mit dem Kopieren digitaler Inhalte vor.
    Vor allem aber fürchte man, mit Veröffentlichung dieser Story sozusagen in den Strudel des Karikaturenstreits zu geraten. Islamisten könnten darin eine Verunglimpfung von islamischen »Freiheitskämpfern« sehen, und wenn man als Zeitschrift Ärger riskieren wolle, dann doch lieber für etwas, das auch mit den Kernthemen zu tun habe.
    Oops!, dachte ich, als ich die Mail las.
    Was einfach stimmte, war, dass die Story so gut wie nichts mehr mit dem zu tun hatte, worum es in einer Computerzeitschrift geht. Da ist die Begeisterung über eine endlich komplettierte Idee mit mir durchgegangen (offenbar bin ich als Auftragsschreiber nicht sonderlich gut).
    Aber die Angst, diese Story könnte islamistische Racheakte auslösen, teile ich nicht. Man muss sich nur ein bisschen mit dem Islam beschäftigen, um zu verstehen, dass es explizit Verunglimpfungen Allahs und des Propheten Mohammed sind, die Zorn erregen. Karikaturen Usama Bin Ladens dagegen gibt es zuhauf – aber es wäre sogar ausgesprochen unislamisch, sich hierüber in gleicher Weise zu erregen, da dies hieße, dass man Bin Laden auf eine Stufe mit dem Propheten erhöbe, und das gebührt nach islamischer Sicht keinem Menschen.
    Ich bin mir sogar fast sicher, dass Usama Bin Laden das genauso sehen würde. Zumal er in dieser Geschichte so schlecht gar nicht wegkommt.
     
    Der »meistgesuchteste Terroristenführer«, wie ihn manche Zeitungen ebenso gern wie grammatikalisch falsch bezeichneten, hielt sich nicht wirklich in einer unzugänglichen Höhle an einem unbekannten Ort versteckt, wie besagte Zeitungen hartnäckig kolportierten. Bei dem Unterschlupf Usama Bin Ladens handelte es sich vielmehr um ein kleines Gehöft im steinigen Niemandsland des Hindukusch, um das herum Ziegen grasten – oder es jedenfalls versuchten – und über dem sich ein weiter Himmel von unglaublichem Blau spannte. Undzumindest den Geheimdiensten war dieser Aufenthaltsort auch nicht ganz so unbekannt, wie der Öffentlichkeit gegenüber behauptet wurde. In ganz Afghanistan und Pakistan zusammen gab es kein Anwesen, auf dem so viele Hirten so wenige Ziegen hüteten – das fiel sogar auf Satellitenbildern auf.
    Die Hirten waren in Wirklichkeit natürlich Wachen, und die kamen eines Tages aufgeregt an. Da sei ein Mann, ein amerikanski, und er wolle den sheikh sprechen!
    »Kennen wir ihn?«, fragte Usama Bin Laden und strich sich nachdenklich durch den langen Bart.
    »Nein, sheikh. Ein Fremder.«
    Der Terroristenführer mit den sanften Augen überlegte einen Moment, dann befahl er: »Bringt ihn her. Bleibt an der Tür stehen. Wenn ich mich an den Turban fasse, hierher« – er zeigte die Stelle –, »dann erschießt ihn sofort.«
    Es würde wohl nicht nötig werden. Der Mann sah harmlos aus und wirkte in seinem anthrazitfarbenen dreiteiligen Anzug und mit dem dünnen Aktenkoffer in der Hand ausgesprochen deplatziert in dieser Gegend der Welt. Er schien eine erhebliche Strecke zu Fuß zurückgelegt zu haben, jedenfalls waren seine Schuhe staubig und zerkratzt, sein Hemd durchgeschwitzt, der Kragen verfärbt und der Anzug an einigen Stellen eingerissen.
    »Guten Tag, Scheich«, begrüßte er den Terroristenführer mit einer knappen Verbeugung. Sein schwarzes, gescheiteltes Haar klebte ihm am Kopf, das jungenhafte Gesicht wirkte matt. Er griff in seine Brusttasche (was die Zeigefinger der Wachen an der Tür nervös zucken ließ) und brachte eine Visitenkarte zum Vorschein. »Gestatten Sie? Mein Name ist Waits. Eduard Earnest Waits. Ich bin Rechtsanwalt.«
    Usama Bin Laden studierte die Karte. »Aus Boston, USA.«
    »So ist es. Studium in Washington, danach Partner einer New Yorker Sozietät, seit einigen Jahren alleiniger Inhaber einer Kanzlei, die sich auf Marken- und Urheberrecht spezialisiert hat – und dies, wie ich in aller Bescheidenheit hinzufügen möchte, überaus erfolgreich.«
    »Marken- und Urheberrecht«, wiederholte der Terroristenführer mitnicht geringer Verwunderung. Beinahe hätte er sich am Kopf gekratzt, unterließ es aber rechtzeitig, weil ihn der Mann zu
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