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Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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Nachdrucke in großer Zahl herstellten und unter Ausnutzung des Schengener Abkommens ins Land brachten – nein, mehr und mehr Menschen gingen dazu über, sich die gewünschten Bücher auszuleihen und einfach zu fotokopieren. Entsprechende Gutachten konstatierten ein weithin fehlendes Unrechtsbewusstsein, und hochrangige Regierungsvertreter sprachen von einem »Angriff auf die Kultur«, der mit harten Mitteln beantwortet werden müsse.
    Unter einhelliger Zustimmung aller Parteien wurde dem Strafgesetzbuch ein neuer Artikel hinzugefügt, der das Kopieren von Büchern explizit verbot und mit hohen Geld-, im Wiederholungsfall sogar mit Gefängnisstrafen belegte. Die erste Großrazzia brachte prompt einen Ring von John-Grisham-Kopierern vor Gericht.
    Um die Kleinkriminalität auf diesem Gebiet wirksam zu bekämpfen, wurde die Vorschrift erlassen, Kopiergeräte in Copy Shops fortan ständig zu beaufsichtigen. Dies zog zwar höhere Preise für einzelne Kopien nach sich, schuf dafür aber erfreulich viele neue Stellen für gering Qualifizierte: Zu sehen, ob da jemand ein Buch kopierte oder etwas anderes, das konnte nun wirklich jeder.
    Neuregelungen wurden auch notwendig für Kopiergeräte im Privatbesitz und in Büros. Neue Geräte durften nur noch verkauft werden,wenn sie so langsam kopierten, dass das Kopieren eines gesamten Buches darauf zur Qual wurde; bereits verkaufte Geräte musste man anmelden und mit einem Bremsmodul nachrüsten lassen. Eine eigens geschaffene Behörde, die Kopierer-Einsatzüberwachungs-Zentrale (KEZ), überprüfte die Einhaltung der Nachrüstpflicht, machte unangemeldete Kopiergeräte ausfindig und kontrollierte mit einem Heer von Inspektoren stichprobenartig die Verplombung der Bremsmodule.
    Die verringerte Kopiergeschwindigkeit wirkte sich zunächst bremsend auf eingespielte Büroabläufe aus; nach einiger Zeit verstummten die entsprechenden Klagen aus den Verwaltungsetagen aber wieder. Offenbar sei in der Vergangenheit ohnehin zu viel kopiert worden, meinte ein Wirtschaftsfachmann. Tatsächlich florierte jedoch inzwischen ein Schwarzmarkt für technische Lösungen, die Bremsmodule auf Knopfdruck außer Betrieb setzten. In den Kleinanzeigenteilen der Lokalblätter übertraf die Zahl derer, die mit Slogans wie Kopierer einsatzbereit macht … warben, die Anzahl der Inserate von Damen des horizontalen Gewerbes.
    Die von der Regierung unter der Leitung von Professor Rainer Stuß eingesetzte sogenannte Stuß-Kommission ließ die Entwicklung der Verkaufszahlen auf dem Buchmarkt derweil nicht aus den Augen. Zwar zeichnete sich eine gewisse Nivellierung ab, doch nach wie vor war die Ausschöpfung der gesetzlichen Mindestauflage kritisch. So blieb nur, die nächste Stufe des Stuß-Konzeptes umzusetzen. Diese beruhte auf dem Prinzip, dass künftig nur noch der einen sogenannten »Bestseller« kaufen durfte, der den Kauf einer bestimmten Anzahl weniger gefragter Bücher nachweisen konnte. Die hierfür erforderlichen Anfangsinvestitionen waren enorm, doch die Regierung erklärte, Stuß werde ohne Wenn und Aber umgesetzt.
    In den folgenden Monaten bekam jeder Buchhandlungskunde einen persönlichen Leserausweis mit ID-Chip zugesandt, der fortan bei Kauf eines Buches an der Kasse vorzulegen war. Die Buchhandlungen mussten sich mit einer zentralen Datenbank unter Ägide der Deutschen Nationalbibliothek vernetzen, bei der alle Buchkäufe registriert wurden. Je nachdem, ob ein Buch gefragt war oder nicht, bekam ein KäuferPunkte abgezogen oder gutgeschrieben, und nur wenn der Punktestand im Plus war, durfte der Kauf des Buches erfolgen.
    Diese Institution realisierte außerdem eine Website, die schon vor Inbetriebnahme des sogenannten Stuß-Systems viel Lob erntete und als wegweisend für die künftige Vernetzung der Medien bezeichnet wurde. Nicht nur, dass man jederzeit online abfragen konnte, welches Buch wie viele Berechtigungspunkte kostete oder erbrachte, ein persönlicher Assistent ermöglichte es darüber hinaus, sich für Neuerscheinungen vormerken zu lassen, und erstellte automatisch Vorschlagslisten, mit dem Kauf welcher weniger gefragter Bücher man diesen Wunsch erfüllen konnte, und zwar individuell angepasst auf die im bisherigen Kaufverhalten dokumentierten Vorlieben!
    Unglücklicherweise war diese Website in den ersten acht Monaten nach Anlauf des Systems aufgrund von Überlastung praktisch nie zu erreichen. Die Buchhandlungen klagten zudem über die schlechte Verfügbarkeit der Anschlüsse. Es
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