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Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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geschrieben und sich danach weitere vier Jahre lang abmühen müssen, bis sie endlich einen Verlag dafür gefunden habe. Dort sei das Buch mit einer Startauflage von mageren 1500 Exemplaren erschienen. »Und wissen Sie, wie viel sich davon verkauft haben?«, erregte sich der Politiker. »Nach einem Jahr ganze 891 Stück! Ich frage Sie: Steht das im Verhältnis? Das reicht kaum, um die Portokosten zu amortisieren.«
    Er hatte das Buch dabei und hielt es, den leisen Unmut seiner Gastgeberin erregend, in die Kamera. Peter Eisenhardt kannte es sogar. Es war eine Liebesgeschichte zwischen zwei Germanistikstudenten – die Autorin studierte im 26. Semester Germanistik –, die zahlreiche lobende Rezensionen bekommen hatte, darunter in angesehenen Tageszeitungen. In der Buchhandlung hatte er es einmal in die Hand genommen, allerdings nach den ersten zwei Absätzen wieder beiseitegelegt.
    »Es geht nicht um ein einzelnes Buch«, beteuerte der Staatssekretär. »Es geht um eine grundlegende Neuorientierung der Kulturpolitik unseres Landes.« Die anwesenden Politiker der anderen Parteien pflichteten ihm im Grundsatz bei, und an einem der folgenden Tage kündigte ein hochrangiges Mitglied der Regierung eine entsprechende Gesetzesinitiative an.
    Wenige Wochen später wurden erste Einzelheiten des geplanten »Autoren-Arbeitsplatz-Schutzgesetzes«, abgekürzt AuArSchG, bekannt.Wichtigste Neuregelung war, dass alle Bücher künftig mit einer Mindestauflage von 20.000 Stück erscheinen sollten.
    Wie jedes kühne Reformvorhaben stieß auch dieses zuerst auf den Protest der ewigen Beharrer. Ein Kleinverleger mahnte in einem Tagesschau-Interview, man denke hoffentlich daran, dass viele kleinere Verlage nicht einmal insgesamt auf solche Stückzahlen kämen, und der Herausgeber einer großen Wochenzeitung nannte das Gesetzesvorhaben »blanken Unsinn«. Dessenungeachtet wurde der Gesetzentwurf einige Wochen später in den Bundestag eingebracht und passierte in erster Lesung und mit deutlicher Mehrheit, ein entschiedenes Bekenntnis der Volksvertreter also zum Kulturgut Buch.
    Peter Eisenhardts Agent war begeistert. Eisenhardt selber nicht minder, als er den neuen, bereits nach AuArSchG abgeschlossenen Vertrag für sein nächstes Buch sah: eine bedeutend höhere Startauflage, das bedeutete natürlich auch einen bedeutend höheren Vorschuss!
    Ein mit Peter Eisenhardt befreundeter Autor allerdings, dem es bislang noch nicht gelungen war, etwas zu veröffentlichen, der jedoch zuletzt dicht dran gewesen war an seinem ersten Vertrag, berichtete beim nächsten Treffen, dass daraus nun doch nichts werde. Der Verleger, der ihm mündlich schon so gut wie zugesagt gehabt hatte, habe ihm erklärt, zu seinem Bedauern könne er das Buch nun doch nicht veröffentlichen; das neue Gesetz zwinge ihn, völlig anders zu kalkulieren. Eine so hohe Auflage für einen Erstautor, das sei ein zu großes Risiko.
    Ähnliches hörte man bald darauf überall: dass es für unveröffentlichte Autoren jetzt noch schwieriger geworden sei, einen Verlag zu finden. Zumal ein rasantes Verlagesterben einsetzte, namentlich unter Kleinverlagen, denn die von diesen erhoffte Ausnahmeregelung enthielt das AuArSch-Gesetz nun doch nicht. Manche Verleger glaubten, die gesetzlich vorgeschriebene Mindestauflage ignorieren zu können, was ihnen Klagen größerer Verlage einbrachte und in der Regel den Ruin. Auf der nächsten Frankfurter Buchmesse blieb die Halle der Kleinverleger praktisch leer; tatsächlich war dies die erste Messe, die weniger Aussteller vermeldete als im Vorjahr, und auch die Zahl der Buchneuerscheinungen war zum ersten Mal gesunken.
    Doch Untätigkeit konnte man der Politik in dieser Angelegenheit wahrlich nicht vorwerfen. Der inzwischen zum Wirtschaftsminister aufgestiegene Initiator des AuArSch-Gesetzes machte sich vehement für die Subvention des Kulturgutes Buch stark. »Warum sollen nur Steinkohle und Schiffswerften staatliche Unterstützung genießen, Verlage aber nicht?«, sagte er in einer Bundespressekonferenz. »Ich frage Sie: Ist das eines Volkes der Dichter und Denker würdig?«
    Subventionen galt es natürlich zu beantragen, zu prüfen und überhaupt zu verwalten, was es notwendig machte, ein großes neues Ressort einzurichten. Dass dies hochwillkommene Arbeitsplätze schuf, wurde der Wirtschaftsminister nicht müde anzumerken.
    Dank der Zuschüsse stieg bald darauf die Zahl der Neuerscheinungen wieder, genau wie die Zahl der Verlage. Auch Peter
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