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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot
Autoren: Arthur Conan Doyle
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schlagen!«
    »Ja, und zwar, um festzustellen, ob und wie weit Wundmale noch nach dem Tod erzeugt werden können. Ich habe ihn selbst dabei beobachtet.«
    »Aber trotzdem, sagen Sie, ist er kein Medizinstudent?«
    »Nein, Der Himmel mag wissen, was seine Studienziele sind. Aber da sind wir, und jetzt müssen Sie sich selbst ein Bild von ihm machen.« Als er dies sagte, gingen wir eine schmale Gasse hinunter und traten durch eine kleine Seitentür, die in einen Flügel des großen Hospitals führte. Dort kannte ich mich aus, und ich bedurfte keiner Führung, als wir die triste Steintreppe emporstiegen und durch den langen Korridor gingen, mit seinem Panorama weißgetünchter Wände und düsterbrauner Türen. Am anderen Ende des Ganges zweigte ein niedriger, überwölbter Durchgang ab und führte zum chemischen Laboratorium.
    Es war ein großer Raum, gesäumt und übersät von zahllosen Flaschen. Breite, niedrige Tische standen allenthalben herum, die von Retorten, Reagenzgläschen und kleinen Bunsenbrennern mit bläulich flackernden Flammen starrten. Im Raum war nur ein Student, der sich über einen Tisch am anderen Ende beugte und in seine Arbeit vertieft war. Beim Geräusch unserer Schritte sah er sich um und sprang mit einem Freudenschrei auf. »Ich hab’s gefunden! Ich hab’s gefunden!« rief er meinem Begleiter zu, wobei er uns mit einem Reagenzgläschen in der Hand entgegenlief. »Ich habe ein Reagens gefunden, das von Hämoglobin und von nichts anderem ausgefällt wird.« Der Fund einer Goldmine hätte aus seinen Zügen keine größere Wonne aufscheinen lassen können.
    »Doktor Watson, Mister Sherlock Holmes«, stellte Stamford uns vor.
    »Sehr erfreut«, sagte er herzlich und schüttelte meine Hand mit einer Kraft, die ich kaum in ihm vermutet hätte. »Sie sind in Afghanistan gewesen, wie ich sehe.«
    »Woher um alles in der Welt wissen Sie das denn?« fragte ich verblüfft.
    »Unwichtig«, sagte er, wobei er in sich hineinkicherte. »Was wichtig ist, ist jetzt Hämoglobin. Sie begreifen doch wohl, wie wichtig diese meine Entdeckung ist?«
    »Chemisch ist das zweifellos interessant«, antwortete ich, »aber praktisch …«
    »Hören Sie, Mann, das ist die praktischste gerichtsmedizinische Entdeckung seit Jahren. Sehen Sie denn nicht, daß uns das eine unfehlbare Untersuchungsmethode für Blutflecken gibt? Kommen Sie hierher!« In seinem Eifer ergriff er den Ärmel meines Mantels und zerrte mich zu dem Tisch, an dem er gearbeitet hatte. »Wir brauchen frisches Blut«, sagte er; dabei bohrte er eine lange Nadel in seinen Finger und saugte den Blutstropfen mit einer Pipette auf. »Jetzt gebe ich diese winzige Blutmenge in einen Liter Wasser. Sie sehen, daß die Mischung reines Wasser zu sein scheint. Das Verhältnis von Blut zu Wasser kann nicht größer sein als eins zu einer Million. Trotzdem habe ich keinerlei Zweifel daran, daß wir die charakteristische Reaktion erreichen können.« Während er sprach, warf er einige weiße Kristalle in das Gefäß; danach gab er ein paar Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit hinein. Sofort nahm der Inhalt eine dumpfe Mahagonifärbung an, und ein bräunlicher Staub setzte sich auf dem Boden des Glaskruges ab.
    »Ha! Ha!« rief er; er klatschte in die Hände und sah so hingerissen aus wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. »Was halten Sie davon?«
    »Es scheint ein sehr empfindliches Probeverfahren zu sein«, bemerkte ich.
    »Wundervoll! Wundervoll! Die alte Guajak-Probe 7 war sehr umständlich und unzuverlässig. Das gilt auch für mikroskopische Untersuchung auf Blutkörperchen. Sie ist wertlos, wenn die Flecken einige Stunden alt sind. Das hier scheint dagegen sowohl bei altem als auch bei frischem Blut zu funktionieren. Wenn der Test schon früher erfunden worden wäre, dann hätten Hunderte von Leuten, die jetzt noch auf Erden wandeln, schon längst für ihre Verbrechen gebüßt.«
    »Tatsächlich?« murmelte ich.
    »Kriminalfälle drehen sich immer wieder um diesen einen Punkt. Ein Mann wird eines Verbrechens verdächtigt, vielleicht Monate, nachdem es begangen wurde. Seine Wäsche oder seine Kleider werden untersucht, und man findet bräunliche Flecken. Sind das Blutflecken oder Lehmflecken oder Rostflecken oder Obstflecken oder was? Das ist eine Frage, über die sich viele Experten den Kopf zerbrochen haben, und warum? Weil es keine zuverlässige Probe gab. Jetzt haben wir die Sherlock-Holmes-Probe, und in Zukunft wird es da keine Schwierigkeiten mehr
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