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Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)

Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)

Titel: Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Wildes
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hinaussteigen könnt, doch scheint es mir zumindest derzeit eine schlechte Idee zu sein. Wartet lieber noch ein paar Minuten, bis der Wolkenbruch nachlässt.«
    Ein paar Minuten? Wie viel Zeit blieb ihr noch? Nicht mehr lange, und man würde sie vermissen, falls man sie nicht ohnehin bereits suchte. Half es, eine plötzliche Erkrankung vorzutäuschen? Lily hasste Lügen, und außerdem erklärte es nicht, warum sie mit einem Mann in einem Zimmer eingesperrt war. Wie sollte sie mit dieser heiklen Situation umgehen?
    »Hier, nehmt.«
    Sie blickte auf. Lord Damien bot ihr ein kleines Glas mit einer goldfarbenen Flüssigkeit an. »An den Geschmack von Brandy muss man sich erst gewöhnen, doch ich empfehle ihn wärmstens für alle Formen von Stress. Falls man zum Beispiel mit einem Mann in einer Bibliothek festsitzt, den man nicht kennt. Leider steht hier kein Sherry herum, fürchte ich.«
    Lily hatte das Gefühl, dass der Abend von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde, und Besserung schien nicht in Aussicht, nicht einmal als kleiner Hoffnungsstrahl am Horizont. Seufzend nahm sie das Glas entgegen. Sie hatte weiß Gott schon weit schamlosere Dinge in ihrem Leben getan, als Brandy zu trinken. Beim ersten Schluck musste sie keuchen, denn der ungewohnt starke Alkohol brannte sich in jeden Zentimeter ihres Halses. Lily ließ sich wieder auf das Sofa fallen, und für einen kurzen Moment glaubte sie, Erleichterung über das Gesicht Northfields huschen zu sehen, weil auch er jetzt Platz nehmen konnte. Ihr war bisher nicht der Gedanke gekommen, dass sein Bein ihn bei längerem Stehen schmerzte, aber genau das schien der Fall zu sein.
    Wie führte man unter den gegebenen Umständen ein ungezwungenes, höfliches Gespräch? Sie hatte keine Ahnung. Vermutlich fand er das Ganze nicht so schlimm, weil er die Vorgeschichte nicht kannte. Und sie verspürte keine Lust, ihm davon zu erzählen. Stattdessen wechselte sie abrupt das Thema. »Wie kam es zu der Verwundung?«, fragte sie und deutete auf sein Bein.
    Damien lehnte sich lässig zurück und kreuzte die Füße. Er hatte sich nachgeschenkt und spürte erleichtert, dass der Brandy den Schmerz in seinem Oberschenkel ein wenig dämpfte. Das vermittelte ihm die Illusion, dass seine Welt noch in Ordnung und er der Alte war. Ein wertvoller Spion im Dienste der britischen Krone.
    Aber er wusste, dass der Zeitpunkt gekommen war, sein Leben zu verändern. Zukünftig war er nur noch Lord Damien Northfield, nachgeborener Sohn und Bruder des derzeitigen Duke of Rolthven – und der nächste Titelträger war bereits geboren. Damit bestand für ihn keine Möglichkeit mehr, in den Hochadel aufzusteigen. Nicht dass ihn das störte. Im Gegenteil war es ihm lieber so. Im Moment allerdings interessierte ihn vor allem die Panik in den sehr blauen und sehrhübschen Augen der jungen Lady, die ihm gegenübersaß und sich an ihren Brandy klammerte.
    Warum sie so heftig reagierte, war ihm ein Rätsel. Aber den Geheimnissen anderer auf den Grund zu gehen, das war schließlich seine Spezialität. »Ich weiß es nicht ganz genau«, gab er zu und gab sich große Mühe, möglichst unbeteiligt zu klingen. Er hatte damals fast sein Bein verloren … Lieber Himmel, es war verdammt knapp gewesen, und hätte er damals nicht in letzter Sekunde das Bewusstsein wiedererlangt, hätten die Chirurgen ihr blutiges Werk bereits getan. »Soweit ich weiß, rückten die Franzosen gerade vor, und es herrschte ein heilloses Chaos. So sehr, dass mich in dem allgemeinen Durcheinander die Kugel eines Landmanns traf. Leider Gottes verletzte sie eine Arterie, und ich verlor sehr viel Blut.«
    Er sah die Szene wieder vor sich, als sei es gestern gewesen. Der beißende Rauch in der Luft. Männer, die schrien, und die vielen, vielen Verwundeten, die stöhnend oder sterbend auf dem Schlachtfeld lagen, dazu die Pferde, die zu Boden gegangen waren … Nicht gerade das richtige Gesprächsthema, um eine junge, wohlerzogene Lady zu unterhalten.
    Lillian Bourne schaute wieder zu den Fenstern, gegen die nach wie vor der Regen trommelte. Sie hob das Glas an die Lippen und verzog das Gesicht beim Trinken. Ihre Stimme klang etwas heiser. »Ich nehme an, auf eine merkwürdige Art neigen wir, die wir nie die Schrecken des Krieges am eigenen Leib erfahren mussten, zu einer Glorifizierung dieser Schlachten, obwohl die Wirklichkeit bestimmt ganz anders aussieht.«
    Eine sehr tiefgründige Antwort. »Eines dürft Ihr mir glauben«, murmelte er. »Es ist alles
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