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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück
Autoren: Katherine Center
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machen. Obwohl ich die ganze Zeit genau wusste, dass das nicht ging. So ist das mit E-Mails: Sie lassen sich nicht zurücknehmen.
    Im Grunde schmiss ich mich selbst raus. Auch wenn der Kerl, der mich tatsächlich feuerte – diskret und mehrere Stunden nach unserer todsicheren Erfolgs-Präsentation –, ein Vizepräsident namens J. J. war, den alle »Kid Dy-no-mite« nannten. Obwohl er gar nicht die Wucht von Dynamit hatte, sondern bloß einer von vielen Werbetypen bei Marston & Minx war. Ein Typ, mit dem ich vor sechs Jahren in der Agentur angefangen hatte und der im Gegensatz zu mir befördert worden war aufgrund von Arbeit, die wir zusammen geleistet hatten. Ein Kerl, mit dem ich anfangs Sex hatte, bis er mich als Workaholic bezeichnete und Schluss machte. Jetzt war er mit einer Frau verheiratet, die pinkfarbene Bermudashorts trug, wenn sie ihm das Mittagessen in einem Picknickkorb ins Büro brachte. Aber ich war wohl noch weniger »dy-no-mite« als er, denn ich war mit niemandem verheiratet, keiner brachte mir je das Mittagessen vorbei, und jetzt war ich auch noch arbeitslos.
    J. J. sagte: »Du bist dir doch bestimmt darüber im Klaren, dass diese E-Mail unpassend gewesen ist.«
    »Tatsächlich?«
    Er seufzte kurz. »Man hat ziemlich Anstoß daran genommen. Ja.«
    Wir standen in dem mittlerweile leeren Sitzungszimmer, in dem unsere »Titten!«-Kampagne später sieben Leuten aus unserem Team Beförderungen einbringen sollte. Auf allen Seiten waren wir von gewaltigen Vergrößerungen BH -bekleideter Brüste umgeben. Brüste, die größer als un sere Körper waren, in Vollfarbe. Ausschnittstäler so riesig wie ganze Sofagarnituren. Die »Zum Anstacheln«-Anzeige präsentierte mit Stacheldraht umwickelte Brüste. Bei »Zum Anbeißen« ruhten sie auf einem riesigen belegten Baguette. Und »Zum Aufpeitschen« zeigte eine Peitsche kurz vor dem Aufprall.
    »J. J.«, sagte ich. »Sieh dich mal um.«
    Er sah sich um.
    »Was macht so was mit echten Frauen?«, frage ich.
    »Echte Frauen?« Er neigte den Kopf. »Echte Frauen sind überbewertet.«
    Dann schenkte er mir ein Lächeln, tätschelte mir die Schulter und sagte, der Fall sei erledigt. Es war Mittagszeit. Er hatte ein Meeting. »Trag’s mit Fassung«, riet er mir auf dem Weg nach draußen. »Und wenn du dein eigenes Foto auf die Website hochladen solltest« – er öffnete die Tür mit einer Hand und legte mir die andere an den Rücken – »schick mir ’ne Mail.« Dann fügte er hinzu: »Den Wettbewerb würdest du auf jeden Fall gewinnen.«
    »Es ist kein Wettbewerb«, sagte ich.
    »Alles ist ein Wettbewerb«, erklärte er mir und ließ mich stehen.
    Trotzdem ging ich mit meinem Team etwas trinken, um unseren Erfolg zu feiern. Ich war keine große Trinkerin, aber es schien einfach dazuzugehören. An dem Abend erzählte ich niemandem, dass man mich gefeuert hatte, und tat stattdessen die ganze Zeit so, selbst mir gegenüber, als ob ich immer noch ihre Chefin wäre. Sie zogen mich mit der Website auf und meinten, der Sturm würde sich schon wieder legen, und ein kleines bisschen glaubte ich ihnen sogar.
    Weil ich nicht allein sein wollte. Ich wollte nicht still und einsam und ohne Job zu meiner Wohnung zurücklaufen. Schon die Fahrt mit dem Aufzug nach unten war schlimm genug gewesen, als ich mit ansah, wie sich die Türen zu den letzten sechs Jahren meines Lebens schlossen. Ich wusste, wo ich gewesen war, aber ich hatte keine Ahnung, wo es jetzt hingehen sollte. Als der Aufzug sich abwärts in Bewegung setzte, hatte ich das mulmige Ge fühl, als würde ich abstürzen. Und es ging ja auch im wahrs ten Sinne des Wortes abwärts mit mir.
    Ich habe einen Trick für die Momente, wenn sich das eigene Leben zu jäh verändert, als dass man damit umgehen könnte: einfach ignorieren. So lange ignorieren, wie es geht. Dafür entschied ich mich. Ich würde über Thanksgiving nach Hause nach Texas fahren und keine einzige Sekunde daran denken, dass ich gefeuert war, bis ich am Montagmorgen wieder in der Stadt wäre und die Stellen anzeigen durchforstete. Es hilft zwar nichts, Dinge zu ignorieren, aber man kann ein bisschen Zeit schinden.
    Irgendwann im Laufe des Abends in der Stadt zogen wir alle die letzten Gratis- BH s heraus, die der Kunde uns geschickt hatte, und legten sie über der Kleidung an. Sogar die Männer. Nach drei Gläsern Wein und einem Cocktail namens 75E, den der Barkeeper für uns erfunden hatte, fühlte ich mich entspannt wie niemals zuvor – und
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