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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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zögernd.

    »All dieser Schnee in der Provence ist merkwürdig. Von diesem Flecken kennt man vor allem sonnige, lichtüberflutete Bilder. Schreiben Sie hier Ihre Briefe, Signora? In diesem Zimmer mit all seinen Erinnerungen?«
    Für einige Augenblicke war ich in Gedanken versunken gewesen. Ich müsste schleunigst den Sessel zum Polsterer bringen. Das Ockergelb der Lilien war verblasst, und die Armlehnen waren von Minous Krallen nachhaltig ruiniert. So hatte sie sich verewigt, bevor sie verschwunden war - auf der Suche nach Liebe.
    »Sind die Plakate heute noch genauso, wissen Sie das?«
    Das Theater wäre ein Thema ohne Fallstricke, eine Gemeinsamkeit, welche uns vor dem Unbekannten, das hinter diesem riskanten Gespräch lauerte, retten könnte. Als hätte sie meinen Gedanken im selben Moment, in dem er in meinem Kopf aufgetaucht war, gelesen, hatte sie Interesse an der Wand mit den alten Plakaten vorgetäuscht, hatte sich dann gleichgültig dem Plakat vom Umbau zugewandt, um schließlich die perfekte Ruhe der Szene zu stören und mich in die Wirklichkeit zurückzuholen.
    »Oh … Ja. Sogar die Farben sind noch dieselben, Lucrezia. Der rote Hintergrund, die braunen Titel, das Rot des Stadtwappens. Nicht einmal die Schrift hat man verändert. Das Theater ist seinem Äußeren treu geblieben, finden Sie nicht? Es hat sich hier und dort ein bisschen frische Farbe gegönnt, aber aus lauter Stolz - oder vielleicht auch aus Angst - hat es sich seine faszinierende Erscheinung bewahrt. Ich habe es sehr geliebt, Lucrezia. So wie man eine
unerreichbare Mutter liebt, von weitem und ohne große Hoffnungen.«
    Elegant und diskret habe ich sie mir gewünscht. Und einzigartig. Unverwechselbar. Das habe ich meiner Mutter nie gestanden. Eltern und Kinder haben damals nicht viel miteinander geredet, sie waren geheimnisvolle Inseln, Schauplätze unkontrollierter Wut. Und doch war das Theater mein Leben. Bis es sich in eine böse Stiefmutter verwandelt hat.
    Das Schweigen hing in der Luft, verbreitete sich in dem kleinen Zimmer und ließ die Worte, mit denen ich mich ihr unbeholfen zu nähern versuchte, farblos erscheinen. Mit leicht abweisendem Blick hörte sie zu. Zerstreut. Als würde sie die Sehnsucht hinter meinen Worten nicht spüren. Die berührte eine Dreißigjährige vielleicht nur, wenn sie bereits Bekanntschaft mit ihr gemacht hatte. In meinem Fall war es nicht so, das muss ich Dir nicht erklären, aber was wusste sie schon von mir? Ich habe sie heimlich beobachtet, wie sie sich in diesem Raum mit den Relikten meiner Vergangenheit bewegte, unbekümmert, leicht. Sie spielte mit den Dingen, um sich dieser Welt zu bemächtigen, fuhr mit dem Finger über die doppelte Reihe der Namen von Mitwirkenden, lächelte, wenn sie sich an mittlerweile verstorbene Bühnenbildner, Regisseure und Sänger erinnerte, als wären sie nicht der Zeit zum Opfer gefallen.
    Der gleiche elegante Gang wie der Vater, trotz der Körpergröße, die mich wider Erwarten in dieser heiklen Situation nicht einschüchterte. Schöne, schlanke Hände mit langen
Fingern. Vorsichtig berührten sie die Gegenstände und strichen über die Bücher und Zeitschriften, die jeden Winkel verstopften. Langsame Gesten, nachdenklich, wohlerzogen. Ich zeigte ihr die Programmhefte von den Opern, die der Maestro dirigiert hat. Nur diese habe ich aufbewahrt. Und eine gerahmte Karte. Die einzige, die er mir in all den Jahren kindlicher Verehrung geschrieben hat.
    »Für diese Reliquie habe ich noch keinen Platz gefunden. Keiner meiner Enkel empfindet für Musik eine solche Begeisterung wie ich.«
    Der Versuch, es in einen nüchternen Satz zu packen.
    »Jedes Werk, Lucrezia, ist mit einer Empfindung verbunden. Jedes Konzert ein Seelenabenteuer. Dieses Theater war ein Verhängnis, es hat jeden angesteckt, der für eine Weile dort war. Ihr Vater hat Ihnen sicher davon erzählt. Ich habe meine Leidenschaft im Schatten ausgelebt.«
    »Im Schatten?«
    »Vor und während der Orchesterproben. Das war für mich die Musik. Der verlassene Saal im gelblichen Licht, nur von den Geräuschen der Bühnenarbeiter erfüllt. Hämmer, die Nägel einschlugen, Türen, die achtlos zugeknallt wurden, das leise Pfeifen eines Mikrofons, das Klangschätze aus dem Archiv aufzeichnen würde. Die dunklen Logen, von der Angst in noch größere Finsternis gehüllt. Schutzzonen. Gepolsterte Monaden. Schattenplätze, an denen die Geschichte Begegnungen und Leidenschaften ansammelt. Phantasmen. Ich habe immer
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