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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Karte geantwortet und Dich herausgeredet. Fast höre ich Dich: »Warum lädst du diese Unbekannte in deine Einsiedelei ein, wo du dich doch mit einer höflichen Absage aus der Affäre hättest ziehen können?«
    Es war Instinkt, Gabriella, meine innere Stimme. Die hat mich noch nie betrogen.
    »Ich habe Männer, die den Mund nicht aufkriegen, nie gemocht. Und doch habe ich drei von der Sorte geheiratet,
das begreife ich bis heute nicht. Ihr Vater war manchmal regelrecht stumm. Er sagte, er höre lieber zu. Ich sollte ihm Geschichten erzählen. Eines Abends, ein paar Tage vor Weihnachten, haben wir in einer alten Trattoria im Zentrum gegessen. Er hat mir ganze Brocken Polenta von meinem Teller geklaut, dann hat er Zabaione aus meiner Schüssel gelöffelt.«
    Die ist ja warm.
Zabaione ist immer warm, du Dummkopf.
    »Er hat wirklich nicht geredet. Er hat an den Worten herumgekaut und sie zu Krümeln zerbröselt, die ich dann geduldig von der Tischdecke aufgepickt habe. Wer nicht redet, geht kein Risiko ein. Man setzt sich nicht dem Urteil anderer Menschen aus und entwickelt eine Begabung dafür, anderen die Entscheidung zu überlassen. Sind schweigsame Menschen besonders intelligent, oder geizen sie einfach nur mit sich selbst? Diese Frage werde ich wohl mit ins Grab nehmen.«
    Es gibt nichts zu sagen. Du weißt alles über mich.
Ich rede unentwegt. Wenn ich das nicht tue, weiß ich nicht,
wie ich meine Schüchternheit überspielen soll.
    Ich mied seinen Blick, Gabriella, und sah lieber andere Menschen an. Die ahnungslosen Opfer meiner Blicke waren oft die jungen Kellner, die um unseren Tisch herumliefen und
uns mit nachsichtiger Diskretion bedienten. Die Jugend anderer hat mir geholfen, mich von ihm abzulenken.
    »Manchmal ist es mir gelungen, ihn zum Lachen zu bringen. Kein lautes Lachen, nur ein angedeutetes Lächeln. Das reichte aber schon, um seine unendliche Sanftheit zum Vorschein kommen zu lassen. Ihr Vater, Lucrezia, war sogar unentschlossen, wenn er ein Dessert bestellt hat. Den Namen Ihrer Mutter hat er nie in den Mund genommen, er sprach immer nur von seiner Frau. Allmählich gewöhnte ich mich daran, verstreute Fragmente aus seinem Leben zu erhaschen, die er wie Sequenzen in einem Filmtrailer aneinanderreihte. Dafür hat er mich mit seinem Gedächtnis übertrumpft. Er hatte so viele Zitate auf Lager, dass ich nicht ansatzweise mitkam. Ich könnte nicht einmal die Sätze der Briefe zitieren, die ich unendlich oft gelesen habe. Ich vergesse sie sofort.«
    »Das geht mir auch so. Mein Gedächtnis ist miserabel. Nur für Musik nicht.«
    »Die Literatur hat Ruhe in seine geistigen Abenteuer gebracht. Sie gab ihm die Zuversicht, dass er seinen Platz im Leben schon finden würde. So hat er sich von den Fallstricken des Verlangens befreit. Von der Notwendigkeit, woanders zu sein. Ich habe nie daran gedacht, mich für die offenkundige Gleichgültigkeit Ihres Vaters zu revanchieren. Meine Psychoanalytikerin hätte das vermutlich für den entscheidenden Schritt zur Loslösung gehalten.«
    »Er hat auch mit uns Kindern sehr wenig geredet. Wenn er uns Märchen erzählt hat, schaute er immer in Bilderbücher
hinein. Sie wissen schon, solche, in denen Figuren die Wörter ersetzen. Es war schön, sich von seiner sanften, musikalischen Stimme einlullen zu lassen.«
    Das stimmt, Gabriella. Wenn er mit mir geschlafen hat, hat er zärtliche Worte geflüstert. Sie waren nie banal. Von niemandem sonst hätte ich das ertragen, aber seine Stimme war Balsam für mich. Ob es am Akzent lag oder an ihrem vollen Klang, seine Stimme hatte etwas Geheimnisvolles, Beruhigendes. Wie viele Jahre sind seither vergangen, meine liebe Freundin?
    Ich wende mich besser wieder ihr zu. Nach den ersten Bekenntnissen, die ich kaum hörbar gemurmelt und wie Würfel in einem Glücksspiel, dessen Regeln noch niemand kennt, auf den Tisch geworfen hatte, wich allmählich die unterschwellige Spannung. Das Licht der Lampen, die ich auf Trödelmärkten und in Antiquitätengeschäften aufgetrieben und überall im Raum aufgestellt hatte, verteilte sich sanft im Raum.
    In Anwesenheit dieser jungen Frau, von der ich nicht wusste, ob sie eher zerbrechlich oder eher unbekümmert war, entwickelte sich eine Atmosphäre schöner Vertrautheit. Gelegentlich traten verlegene Pausen ein, die ich aber ohne große Mühe überstand. Manchmal kam es mir auch so vor, als würden wir uns wie zwei Tiere beäugen, die nach der besten Strategie suchen, um sich gemeinsam gegen
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