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Eine Frau mit Geheimnis

Eine Frau mit Geheimnis

Titel: Eine Frau mit Geheimnis
Autoren: JOANNA MAITLAND
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aye.“ Der Mann tippte an seine Schläfe. Dann schlurfte er auf nackten Füßen davon.
    Obwohl Alex den englischen Wortwechsel zu ignorieren suchte – eins war ihr nicht entgangen. Der Seemann hatte Calder mit „Euer Gnaden“ angesprochen, und diese Anrede gebührte nur Herzögen.
    War Calder ein Duke? Wenn das zutraf, fand sie es ziemlich sonderbar, dass er die Position eines Verbindungsoffiziers einnahm.
    Calder – ein Duke? – legte ihr einen Arm um die Schultern und hob sie ein wenig hoch, um den Becher an ihre Lippen zu halten. „Trinken Sie, das wird Ihren Magen beruhigen.“
    Wonach roch das Getränk? Irgendwie parfümiert – und würzig … Neue Übelkeit stieg in ihr auf, und sie wollte den Becher wegschieben.
    „Glauben Sie mir, die Mühe lohnt sich“, versicherte Calder und hielt ihr den Becher wieder an den Mund.
    Entschlossen ignorierte sie den Geruch und nippte an dem Gebräu. Jetzt schmeckte sie das Gewürz – vielleicht Ingwer? Die Übelkeit kehrte nicht zurück.
    „Sehr gut. Noch ein Schluck.“
    Alex gehorchte, und die Arznei wärmte ihren Magen.
    „Den Rest lasse ich neben Ihrer Koje stehen, Capitaine“, sagte Calder. „Am besten wirkt diese Medizin, wenn man sie möglichst heiß zu sich nimmt. Aber sie hilft auch im erkalteten Zustand. Schlafen Sie jetzt. Oder – noch besser – begleiten Sie mich an Deck.“
    Bei dem Gedanken, die Treppe hinaufzusteigen und auf den Decksplanken des schaukelnden Schiffes zu stehen, schwirrte ihr der Kopf. Würde sie jemals wieder aufrecht stehen können?
    Offenbar erriet er ihre Gedanken. „Gewiss, das klingt nicht verlockend. Aber seien Sie versichert, in der frischen Luft werden Sie sich besser fühlen. Nun, wie entscheiden Sie sich? Für den Schlaf? Oder für die frische Luft?“
    „Ich werde Ihren Rat befolgen, Monsieur.“
    Plötzlich lächelte er, was seine harten Züge milderte. „Ah, schon jetzt fühlen Sie sich besser, das freut mich. Bald werden wir die weißen Klippen von Dover sehen. Dort wird Ihre Qual ein Ende finden, mein junger Freund.“
    Alex stöhnte – obwohl sie sich schon ein wenig besser fühlte.
    „Was Sie jetzt empfinden, verstehe ich“, sagte Calder. „Sie glauben, Sie müssten sterben, und nichts könnte Sie retten. Aber nach fünf Minuten an Land, mit einer nahrhaften Mahlzeit im Magen …“
    Bei diesem Gedanken presste sie eine Hand auf den Mund.
    „Mit einer nahrhaften Mahlzeit im Magen“, wiederholte er, ohne ihre Probleme zu beachten, „werden Sie sich erholen, und wir können den Zaren ohne weitere Schwierigkeiten nach London begleiten. Oder wollen Sie zurückbleiben?“
    „O nein, ich muss Seiner Majestät dienen. Wohin er auch geht, ich werde ihm folgen, unter allen Umständen.“
    „Braver Junge!“ Anerkennend klopfte Calder auf ihre Schulter. „Kommen Sie, ich führe Sie an Deck.“
    Langsam richtete sie sich in der Koje auf, versuchte ihr Schwindelgefühl zu bezwingen, und schwang die Beine auf den Boden. Zu ihrer Verblüffung ging es ihr tatsächlich besser, das Gebräu schien Wunder zu wirken. Calder bot ihr einen Arm, den sie ignorierte. „Danke, ich komme schon zurecht“, behauptete sie und stand auf.
    Bevor sie zu Boden sinken konnte, hielt er sie fest. „Wie eigensinnig Sie sind, Alexej Iwanowitsch.“
    Überrascht hörte sie, wie perfekt sein russischer Akzent klang, als er den Namen aussprach. Noch etwas, worüber sie nachdenken musste, wenn ihr Gehirn wieder funktionierte …
    „Vergessen Sie vorerst Ihren russischen Stolz und gestatten Sie mir, Sie an Deck zu geleiten. Damit werden Sie Ihren Ruhm als tapferer Soldat nicht gefährden.“
    „Vielen Dank, Monsieur, Sie sind sehr freundlich“, murmelte sie und erlaubte ihm, ihren Ellbogen zu stützen.
    Nach fünf Minuten hatten sie die steilen Stufen bewältigt, und Alex atmete tief durch. In der frischen Luft fühlte sie sich tatsächlich viel besser. In der Ferne sah sie eine Küste. „Das ist England, nehme ich an.“
    „Ja, die weißen Klippen von Dover, seit Jahrhunderten eine Art Leuchtturm für heimkehrende Seefahrer.“
    „Sicher mussten die Engländer schwere Zeiten erdulden, als ihnen wegen der Kontinentalsperre Napoleons das westliche Europa verschlossen war.“
    „Nun ja …“ Diesmal wirkte Calders Lächeln rätselhaft. „Der Zugang zum europäischen Festland war der königlichen Marine nie verwehrt. Im ganzen Mittelmeer hielten wir unsere Stellungen.“
    „Und wenn die Briten es wünschten, konnten sie von den
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