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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt
Autoren: Gayle Callen
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musterte sie ihn verstohlen: Er war riesig; überragte alle anderen, war kräftig gebaut und muskulös, aber ohne ein Gramm Fett. Obwohl durchaus attraktiv, wirkte seine maßgeschneiderte Kleidung bei ihm irgendwie unpassend – so als diene sie nur dazu, seinen gewaltigen Körper zusammenzuhalten.
    Einmal hatte sie ihn auf einem ebenfalls riesigen schwarzen Pferd durch den Hyde Park galoppieren sehen, und auch das unterschied ihn von den anderen Männern, die in der Regel mit ihren Pferden gemächlich neben Droschken trabten, um sich mit den darin sitzenden Damen zu unterhalten. Nein, Lord Parkhurst schien keine Zeit für Damen zu haben. Sie erinnerte sich, dass sein Reitrock bei seinem wilden Ritt heftig im Wind geflattert hatte und den Blick auf erstaunlich schmale Hüften und muskelbepackte Schenkel freigab, mit denen er mühelos jede Bewegung des Pferdes kontrollierte. Rebecca erinnerte sich, wie sie ihn damals anstarrte, als hätte sie noch nie zuvor einen Mann gesehen.
    Obwohl er nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach, fand sie ihn faszinierend. Unter dem widerspenstigen schwarzen Haar trat eine kräftige Nase hervor, und seine Gesichtszüge wirkten streng und Furcht einflößend, befehlsgewohnt eben. Sein breiter Mund unterstrich diesen Eindruck und erweckte fast den Anschein, als könne er gar nicht lächeln, doch das wusste sie seit gestern Nacht besser.
    Vor allem aber erinnerte sie sich an seine Augen. Silbergrau und kalt wie der Winter hatte es bei ihrer nächtlichen Begegnung trotzdem den Anschein gehabt, als würden sie glühen wie schwelende Kohlen, als er erst das Gemälde anschaute und dann sie. In diesem Moment begriff sie, was es bedeutete, wenn ein Mann das Bild betrachtete: Er sah sie, ihren Körper. Parkhurst hatte seinen Blick in einer Weise über sie gleiten lassen, als sei ihre Kleidung durchsichtig. Es war ein erregender, überwältigender und gleichzeitig auch beängstigender Augenblick gewesen.
    Sie verdrängte das Unbehagen, dass sich ihrer bemächtigen wollte. Es war zu spät, um sich Sorgen wegen des Gemäldes und etwaiger Spekulationen zu machen. Außerdem fühlte Rebecca sich durch ihre Zugehörigkeit zu einem herzoglichen Haus in gewisser Weise vor übler Nachrede geschützt. Zudem hoffte sie, dass die Wette nur ein Spaß war, geboren aus einer trunkenen Stimmung und bald vorüber.
    Zweifel kamen ihr, als sie ihn auf der anderen Seite des Springbrunnens stehen sah – ganz unverkennbar musterte er sie mit durchdringendem Blick und unverhohlenem Interesse. Susanna neben ihr versuchte sie wegzuzerren, doch Rebecca wollte sich nicht wie ein Feigling davonschleichen.
    »Ach, wenn er doch nur aufhören würde, dich die ganze Zeit anzusehen«, grummelte die Schwester.
    »Nimm die Brille ab, dann bekommst du es erst gar nicht mit.«
    Susanna runzelte die Stirn.
    »Ich dachte, du wolltest sie bei gesellschaftlichen Anlässen überhaupt nicht tragen«, hakte Rebecca nach. »Du brauchst sie doch eigentlich nur zum Lesen und Malen.«
    »Seit gestern Abend habe ich Angst, mir könnte etwas entgehen.«
    Rebecca lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Lord Parkhurst, Mr Wade und Mr Derby können ihre dummen Spielchen so lange treiben, wie sie wollen – sie können uns nichts anhaben. Vielleicht war die Wette bereits vergessen, sobald sie ihre schmerzenden Schädel ausgenüchtert hatten.«
    »Können uns nichts anhaben?« Susanna starrte sie an. »Sie wissen es. Natürlich können sie uns etwas anhaben. Gütiger Himmel, jetzt unterhält er sich mit Mama!«
    Rebecca warf einen scharfen Blick zur anderen Seite des Wintergartens, wo sich Lord Parkhurst tatsächlich mit ihrer Mutter unterhielt. Lady Rose Leland, eine geborene Cabot und damit der Familie der Dukes of Madingley entstammend, hatte einst hochfliegende Pläne für die Zukunft ihrer Töchter gehabt. Erfolglos jedoch bislang. Was Susanna betraf, so zeigte diese generell kein Interesse an einer Heirat, sondern fühlte sich mehr von der wissenschaftlichen Tätigkeit des Vaters angezogen, der Anatomieprofessor in Cambridge war. Da sie zudem über künstlerische Talente verfügte, hatte sie angefangen, zum Entsetzen der Mutter die anatomischen Studien des Vaters mit ihren Skizzen festzuhalten, und sich ganz aus der Gesellschaft zurückgezogen. Erst seit der in Indien vermisste und bereits tot geglaubte Bruder doch noch nach England zurückgekehrt war, mischte sie sich wieder mehr unter die Leute. Was dazu beitrug, etwas Druck von der
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