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Ein Universum aus Nichts

Ein Universum aus Nichts

Titel: Ein Universum aus Nichts
Autoren: Lawrence M Krauss
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ungeheuerlich, dass Einstein selbst energisch einwandte: »Ihre Mathematik ist korrekt, doch Ihre Physik ist abscheulich.«
    Lemaître machte dennoch weiter – 1930 ging er außerdem davon aus, unser expandierendes Universum habe eigentlich als unendlich kleiner Punkt begonnen, den er als »Uratom« bezeichnete, wobei dieser Anfang »ein Tag ohne Gestern« sei (was vielleicht als Anspielung auf die Schöpfungsgeschichte gemeint war).
    Die Vorstellung eines Urknalls, die Papst Pius so laut verkündete, war also zuerst von einem Priester entwickelt worden. Man könnte vielleicht annehmen, dass Lemaître über diese päpstliche Einschätzung begeistert war, doch er selbst hatte die Idee schon aufgegeben, dass diese wissenschaftliche Theorie theologische Konsequenzen haben könnte, und im Entwurf seines 1931 erschienenen Aufsatzes über den Urknall einen Absatz zu dieser Frage gestrichen.
    Tatsächlich widersprach Lemaître später der vom Papst 1951 verkündeten Behauptung, der Urknall sei ein Schöpfungsbeweis. 2 Zu dieser Zeit war er in die vatikanische Pontifikalakademie gewählt worden, deren Präsident er später werden sollte. Er drückte es so aus: »Soweit ich das erkennen kann, bleibt eine solche Theorie vollständig außerhalb jeder metaphysischen oder religiösen Fragestellung.« Der Papst kam später nie mehr öffentlich auf diese Behauptung zurück.
    Daraus lässt sich eine wertvolle Lehre ziehen. Wie Lemaître erkannte, ist es eine wissenschaftliche und keine theologische Frage, ob der Urknall tatsächlich stattgefunden hat oder nicht. Mehr noch – auch wenn es den Urknall gegeben hat (was mittlerweile von allen Belegen in überwältigender Weise gestützt wird), stünde es jedem frei, ihn je nach seinen religiösen oder metaphysischen Vorlieben unterschiedlich zu interpretieren. Man kann sich dafür entscheiden, den Urknall als Anhaltspunkt für einen Schöpfer zu sehen, wenn man das Bedürfnis verspürt, oder stattdessen argumentieren, dass die Evolution des Universums bis zurück zu seinem Beginn durch die Mathematik der Allgemeinen Relativität ohne das Eingreifen einer Gottheit erklärt werde. Eine solche metaphysische Spekulation ist aber nicht von der physikalischen Gültigkeit des Urknalls selbst abhängig und für unser Verständnis dieses Ereignisses belanglos. Sobald wir über die bloße Existenz eines expandierenden Universums hinausgehen, um die physikalischen Prinzipien zu verstehen, die möglicherweise seinen Ursprung betreffen, kann die Wissenschaft diese Spekulation selbstverständlich weiter erhellen – wozu sie, wie ich noch zeigen werde, auch in der Lage ist.
    Jedenfalls ließ sich die Welt der Wissenschaft weder durch Lemaître noch durch Papst Pius davon überzeugen, dass das Universum sich ausdehnt. Wie bei jeder guten wissenschaftlichen Erkenntnis ergaben sich die Beweise eher aus sorgfältigen Beobachtungen, in diesem Fall zusammengetragen von Edwin Hubble, der mir weiterhin großes Zutrauen in die Menschheit vermittelt, weil er als Anwalt begann und dann Astronom wurde. Vorher hatte Hubble im Jahr 1925 einen bedeutenden Durchbruch mit dem Hooker-Teleskop auf dem Mount Wilson erzielt – mit 2,45 Meter Spiegeldurchmesser damals das größte weltweit. 3 Bis dahin konnten Astronomen mit den verfügbaren Teleskopen verschwommene Bilder von Objekten unterscheiden, bei denen es sich nicht um einfache Sterne unserer Milchstraße handelte. Sie bezeichneten sie als Nebel. Außerdem diskutierten sie darüber, ob diese Objekte sich innerhalb oder außerhalb unserer Galaxis befanden. Da das Universum zu dieser Zeit nach vorherrschender Meinung allein aus unserer Milchstraße bestand, fanden sich die meisten Astronomen im Lager der »Innerhalb unserer Galaxis«-Gruppe – angeführt von dem berühmten Astronomen Harlow Shapley in Harvard. Shapley hatte die Schule in der fünften Klasse geschmissen und später auf eigene Faust studiert; schließlich war er nach Princeton gegangen. Er entschied sich für Astronomie als Studienfach, weil es das Fach war, das im Lehrplan an erster Stelle stand. In grundlegenden Arbeiten zeigte er, dass die Milchstraße weit größer ist als ursprünglich angenommen, und auch, dass die Sonne nicht in deren Zentrum, sondern einfach in einer abgelegenen, uninteressanten Ecke liegt. In der Astronomie war er eine überragende Gestalt, weshalb seine Ansichten zur Natur der Nebel beträchtlichen Einfluss hatten.
    Am Neujahrstag 1925 veröffentlichte Hubble die
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