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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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diesen Flug mit allen Sinnen. Sie hatte ein so herrlich gutes Gewissen, war so unendlich erleichtert, so gut aufgelegt. Die Sonne schien, der Nebel der Nacht war fort, und sie würde nun eine große Stadt sehen, die sie bloß von der Durchreise her kannte. Die sollte sie nun besser kennenlernen, zusammen mit einem Mann, der…
    Ihre Gedanken stockten bei diesem „der“. Errötend beugte sie sich über ihre wasserblaue Plastikkaffeetasse.
    „Wie lange bleiben Sie in Hamburg, Gerd?“
    „Weiß ich nicht. Kommt ganz darauf an. Möglich, daß im Hotel ein Telegramm für mich bereitliegt.“
    Es war der Fall.
    Zunächst verursachte ihr Vorname natürlich wieder Wirrwarr. Das Hotelzimmer war für einen Herrn Elstö reserviert worden, und Gerd mußte nun erneut die Geschichte mit Gert und Gerd erklären.
    „Hier ist auch ein Telegramm für Sie, Fräulein Elstö“, sagte der Portier.
    Es war von Myrseth.
    „tuechtiges maedchen stop erwarte sie montag stop junior betreut inzwischen buero stop ab ersten Oktober sind sie bueroleiterin gehalt hundert kronen mehr stop gruss myrseth.“
    „Schlechte Nachrichten?“ fragte Helge.
    „Aber nein, wieso denn?“
    „Sie sind so blaß geworden.“
    „Das kommt von… Das ist, weil… Sie dürfen es gern lesen.“ Mit zitternder Hand reichte sie ihm das Telegramm.
    „Nein so was!“ staunte Helge. „Gratuliere, Fräulein Büroleiterin! Herrje, das ist nun Bürochef und sieht aus wie eine minderjährige Gymnasiastin. Sind Sie überhaupt schon zwanzig?“
    „Na, erlauben Sie mal – schon vierundzwanzig!“
    „Das ist glatt gelogen. Sie müssen sich verrechnet haben. Aber heut gehen wir aus und feiern, ob Sie wollen oder nicht. Das ist geradezu eine Pflicht. Jetzt aber nach oben mit Ihnen, legen Sie sich flach auf den Rücken, und schließen Sie die Augen. Ich wecke Sie per Telefon um halb acht. Und dann geht’s los mit dem Feiern!“
    Also lag Gerd wieder in einem Hotelbett, diesmal aber glückte es ihr, wirklich zu ruhen. Sie fühlte, wie alle Muskeln weich wurden, wie ihr Körper der geistigen Entspannung, die nun einsetzte, folgte. Es war einfach wunderbar, so auszuruhen in der Gewißheit, daß eine wichtige Arbeit ausgeführt, sicher zu sein, daß ihr Chef mit ihr zufrieden war, eine Beförderung und Gehaltserhöhung sie erwarteten. Und dann auch noch, daß sie am Abend mit Helge Zusammensein würde…
    Sie schloß die Augen. Das Bett war gut und weich, und sie hörte das gleichmäßige Surren und Summen des Großstadtverkehrs tief da unten. Das störte sie nicht. Im Gegenteil, es lullte sie in Schlaf, in einen tiefen, festen und sehr notwendigen Schlaf.
    Gerd erwachte durch das Schnarren dicht an ihrem Ohr. Verwirrt richtete sie sich im Bett auf, sie wußte nicht, wo sie war. Sie blinzelte mit den Augen und sah sich um. Dann dämmerte es ihr. Sie nahm den Hörer des Telefons, das auf dem Nachttisch klingelte. Schlaftrunken sagte sie auf norwegisch: „Bitte.“
    „Na ja, schon gut“, lachte eine Stimme. „Diesmal macht’s ja nichts aus, aber sonst müssen Sie schon deutsch antworten, wenn sie in Deutschland sind.“
    „Rufen Sie mich an, um mir Sprachunterricht zu geben?“ gähnte Gerd.
    „Nein, ich wollte Ihnen nur sagen, daß Sie jetzt aufstehen müssen. Ich habe Karten zu einem großartigen Film herbeigezaubert. Das heißt also, großartig für jemand, der musikalisch ist.“
    „Nun, ich glaube schon, daß ich das bin.“
    „Lieben Sie Beethoven?“
    „Sonst hätte ich wohl nicht das Recht, mich musikalisch zu nennen!“
    „Warum so schnippisch, Fräulein Bürochef?! Aber all right. Ich verzeihe Ihnen, wenn Sie in zwanzig Minuten unten in der Halle sind.“
    „Höchstwahrscheinlich werde ich das sein.“
    „Ich auch. Auf Wiedersehen.“
    Gerd rollte sich aus dem Bett und machte schnell eine kalte Abreibung. Nun flink in die Kleider, Puder auf die Nase, ein paar Striche mit dem Lippenstift. Pünktlich stand sie in der Halle, wo Helge schon wartete.
    „Haben Sie geschlafen?“ fragte er.
    „Wie ein Murmeltier. Hätten Sie nicht angerufen, so würde ich bis morgen früh geschlafen haben. Und Sie?“
    „Nein, ich habe nicht geschlafen.“
    „Was haben Sie denn gemacht?“
    „Ich dachte darüber nach, wie verdammt verwickelt das Leben doch sein kann.“
    „Was für trübe Gedanken! Ich finde das Leben ganz einfach und im Augenblick sogar ausgesprochen nett.“
    „Naja, Sie schon!“
    Gerd warf ihm einen raschen Blick zu. Sie wollte etwas sagen, ließ
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