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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Maryla Krüger
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    Annemarie Schoenle
    Frühstück zu viert
    Roman
    1. KAPITEL
    Bevor Judith Uhland den Brief des Jugendamtes Ulm öffnete, schob sie Huberts Bild, das in einem kleinen Silberrahmen auf ihrem Schreibtisch stand, zwischen ihre Unterwäsche. Natürlich war dies eine kindische Reaktion, aber jedem Menschen standen schließlich Reaktionen, welcher Art auch immer, zu, befand Judith. Und da sie genau zu wissen glaubte, was Hubert über sie und ihr neuestes Vorhaben dachte, und da sie, albern wie sie nun mal war, fast befürchten musste, sein strenger Gesichtsausdruck könne noch um eine Spur strenger und die hellen blauen Augen noch ein wenig heller werden, legte sie ihren silbergerahmten Freund und Verlobten in spe liebevoll auf ihren neuesten Spitzenunterrock und hoffte sehr, ihre etwas dezente Rücksichtnahme möge ihn milder stimmen.
    Dann riss sie den Brief auf. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, während sie das Formular entfaltete und es eilig überflog. Mein Gott, ja. Ja, sie hatte es geschafft: Ihr, Judith Uhland, Schwester und Schwägerin der verstorbenen Eheleute Margareth und Philip Berger, wurde die Pflegschaft für die Kinder Claudia, Stephanie und Oliver Berger zuerkannt, und Lilli, die Großmutter der drei, sollte Vormund werden. Judith starrte aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen, und bekam einen trockenen Mund. Die Flasche Sekt im Kühlschrank, von Hubert bereits seit einem halben Jahr für eine geheimnisvoll angekündigte Gelegenheit aufbewahrt, fiel ihr ein.
    Ich werde Mutter, dachte sie ergriffen. Dreifache herrliche wunderbare vierzigjährige Mutter. Sie würde einen Mittagstisch decken und einen Abendbrottisch, würde Schokoladenpudding kochen und Strümpfe stopfen, mit dem kleinen Oliver in den Zoo gehen, Claudias junge Verehrer bewirten, Steffi bei den Schulaufgaben helfen und nie mehr alleine frühstücken. Ihr Mund war nun so trocken, dass er dringend des prickelnden Sektes bedurfte, so viel war klar, und während sie hastig die Flasche entkorkte und ein hohes Sektglas aus dem Schrank holte, sah sie ihre sonnige kleine Küche vor sich, mit dem runden Eichentisch und dem bunten Tischtuch, mit drei Kindern, die leuchtenden Blicks vor bauchigen Kakaotassen saßen, während sie einen Kuchen rührte, sich eine Locke aus der Stirn strich und dazwischen ermahnte, ordentlich zu essen.
    »Lilli«, jubelte sie. »Stell dir vor … oh, stell dir doch bloß vor …« Sie riss sämtliche Türen auf, stürmte ins Freie und die Außentreppe empor.
    Aber Lilli war nicht da. Judith spähte ungeduldig durch einen Vorhang und bemerkte lediglich Papagei Cäsar, der sie böse aus halbgeöffneten Augen musterte und zu kreischen begann.
    »Mutter?« Judith beugte sich über das hohe Holzgeländer. Aber nein, Lilli war auch nicht im Garten.
    Ich muss einen größeren Terrassentisch kaufen, dachte sie plötzlich. Und dort, neben den Erdbeerstauden, wollte sie eine Schaukel für Oliver aufstellen. Sie lächelte. Immer, wenn sie das kleine Stückchen Land betrachtete, das sie zwar laienhaft, aber dafür mit sehr viel Liebe und Hingabe pflegte, wurde sie so froh und glücklich, als sei sie eine texanische Großgrundbesitzerin, deren stolzer Blick von Scholle zu Scholle des riesigen Besitztums wanderte. Sie würde Vater ewig dankbar sein, dass er, in kluger Voraussicht, sie zur Erbin des alten efeubewachsenen Hexenhauses bestimmt hatte und seiner Frau Lilli lediglich das Wohnrecht in der separaten Wohnung zugesprochen wurde, dafür aber mit kräftigem Kapitalausgleich. Denn Lilli hielt nicht viel von dem Haus, das zwar Charakter und Charme besaß, aber keinerlei Komfort bot.
    »Charakter und Charme … Ich kann es nicht sonderlich charmant finden, mir im Badezimmer an allen Ecken und Enden den Kopf anzustoßen. Und die knarrenden Holztreppen finde ich ausgesprochen charakterlos.«
    »Aber Mutter. Dafür haben wir den schönen Garten.«
    Doch zu Gartenarbeit ließ Lilli sich nur herab, wenn Nachbar Petersen, ein rüstiger Witwer Ende Fünfzig, sich auf seiner Sonnenliege räkelte und ihr begehrliche Blicke zuwarf. Dann allerdings zog sie das Großgeblümte an, setzte einen Strohhut mit breiter Krempe auf, kramte alte Ballhandschuhe hervor und beschnitt die Rosenhecken so kokettierend und anmutig, als sei sie die bezaubernde Joséphine Bonaparte auf Malmaison und Nachbar Petersen ein beträchtlich aufgeschossener
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