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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz
Autoren: Ilkka Remes
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das Haus machten. Der Himmel war von dunkelgrauen Wolken bedeckt, und vom Meer her blies ein feuchtkalter Wind.
    Der Polizist, der das Auto gefahren hatte, beeilte sich, die Beifahrertür zu öffnen, aber Åsa kam ihm zuvor und stieg bereits flink aus dem Wagen. Die sommersprossige, leger gekleidete Frau stammte aus dem nordschwedischen Kiruna aus einfachen Verhältnissen. Zur Familie gehörten sieben Kinder, allesamt Mädchen, und eines davon hatte es zu einer der besten Skiläuferinnen Schwedens gebracht. Trotz ihres Temperaments und ihrer direkten Art war auch Åsa in ihrer Polizeilaufbahn rasch vorangekommen.
    Sie blieb stehen, um den Text auf einem Schild an der Wand zu lesen: »In diesem Gebäude hatte das Unterdrückungsorgan der sowjetischen Besatzungsmacht sein Hauptquartier. Hier nahm der Leidensweg Tausender Esten seinen Anfang.«
    Dann eilten sie die Treppe hinauf und Timo hinterher. Er kannte sich aus, man hatte ihm schon vor Jahren das Gebäude gezeigt. Die kleinen Fenster im Keller waren noch immer zugemauert, und eine der Verhör- und Folterzellen hatte man unberührt gelassen.
    Der Flug von Brüssel nach Tallinn war um fast eine Stunde verspätet gewesen, weshalb die Besprechung im zweiten Stock bereits ohne sie begonnen hatte.
    »Schön, dass auch meine Kollegen aus Brüssel endlich da sind«, sagte Edgar Link, der Europol-Vertreter Estlands, in fließendem Englisch und stellte die beiden vor.
    Der Einfachheit halber sprach Link von Europol, obwohl das nur ein Teil der Wahrheit war. Genauer gesagt arbeiteten sie bei TERA, der Spezialeinheit von Europol,die für die Aufklärung radikal-extremistischer Delikte zuständig war. Die Abkürzung stand für:
Agence pour la lutte contre le Terrorisme, Extremisme et Radicalisme
. Der Anschlag auf das russische Marineschiff, ein Attentat auf internationalen Gewässern, das mehrere Staaten tangierte, war als terroristischer Akt eingestuft worden und fiel damit in den Zuständigkeitsbereich der TERA.
    Bevor der Vorsitzende weitersprechen konnte, fragte der lange, grauhaarige Vertreter des russischen Sicherheitsministeriums:
    »Was weiß man über die Organisation
Live Baltic

    »Leider nichts«, sagte Åsa, den Blick offen auf den Russen gerichtet.
    Dieser sah die übrigen Anwesenden an, als hätte er gerade den Beweis dafür erhalten, wie unnütz und uneffektiv die Polizei der Europäischen Union war.
    »Bis jetzt«, fügte Åsa hinzu, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Es handelt sich um eine neue Gruppierung. Das hier war eine erste Demonstration ihrer Stärke.«
    Sie ließ die Schlösser ihres Aktenkoffers aufschnappen und holte ein Blatt Papier heraus.
    »Und man muss sagen, dass ihnen das geradezu perfekt gelungen ist. Volle Punktzahl. Sie haben bekommen, was sie wollten: Sichtbarkeit.«
    Timo sah, wie die Mienen der Russen sich verfinsterten. Besonders düster wirkte der uniformierte Korvettenkapitän der russischen Marine, der möglichst weit entfernt von dem zweiten Uniformierten im Raum saß, dem Vertreter der estnischen Küstenwache. Estland war strikt gegen die Gaspipeline, und die Russen hatten nicht zuletzt deshalb auf Sankt Petersburg als Konferenzort gepocht, aber die anderen Staaten hatten dem nicht zugestimmt. Man hatte beschlossen, sich in Tallinn zu treffen, weilman wusste, dass die Boote von
Live Baltic!
zum Großteil von der Küste Estlands aufgebrochen waren.
    »Es handelt sich um ein RI B-Boot mit verstärktem Boden, höchstwahrscheinlich von Asis in Dubai produziert«, sagte Link. »Die Gruppe hatte teures Gerät, das heißt, es muss ein höchst solventer Geldgeber existieren.«
    Die Russen, deren dritter Vertreter der Sicherheitschef des Gaspipelineunternehmens war, warfen sich vielsagende Blicke zu.
    »Der Geldgeber kann auch ein Staat sein«, sagte der Korvettenkapitän der russischen Marine.
    Timo bemerkte, wie Edgar Links Augen flackerten. Der Este gab sich alle Mühe, sich zu beherrschen.
    »Was soll das heißen?«, fragte er scharf.
    »Zumindest ein Teil der Boote kam aus Estland«, fuhr der Russe mit ruhiger Selbstsicherheit und monotoner Stimme fort. »Es waren Unterkünfte nötig, Kontakte, Wartung, Kenntnisse der Bedingungen vor Ort. Es müssen Esten dabei gewesen sein. Aber die estnische Polizei ist bei der Suche nach den Tätern noch kein Stück vorangekommen. Nicht einmal die Tatsache, dass die Boote von der estnischen Küste kamen, ist von der estnischen Küstenwache oder einer anderen estnischen Institution
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