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Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Titel: Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
Autoren: Ian Rankin
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haben.« Er hielt sich eine Hand vor den Mund und unterdrückte ein Gähnen.
    »Haben Sie überhaupt geschlafen?«, fragte Clarke.
    »Wahrscheinlich so viel wie Sie«, antwortete er.
    Die Universitätszentrale meldete sich. Clarke fragte nach Scarlett Colwell und wurde mit ihr verbunden.
    »Miss Colwell?« Eine Pause. »Verzeihung, Doktor Colwell.« Sie sah Rebus an und verdrehte die Augen.
    »Fragen Sie sie, ob sie mir was für meine Gicht empfehlen kann«, flüsterte er. Clarke boxte ihm gegen die Schulter, während sie Dr. Scarlett Colwell die schlechte Neuigkeit mitteilte. Zwei Minuten später waren sie auf dem Weg zum Buccleuch Place, einem sechsgeschossigen georgianischen Block gegenüber den moderneren (und weit hässlicheren) Gebäuden der Universität. Insbesondere ein bestimmtes Hochhaus war zu dem Gebäude gewählt worden, das die meisten Edinburgher am liebsten unter der Abrissbirne gesehen hätten. Daraufhin war das Haus, das möglicherweise diese Feindseligkeit gespürt hatte, in eine Phase der Selbstzerstörung getreten und ließ in unregelmäßigen Abständen große Brocken Verputz fallen.
    »Sie haben hier nie studiert, oder?«, fragte Rebus, während Clarkes Auto über das Kopfsteinpflaster holperte.
    »Nein«, sagte sie und fuhr langsam in eine Parklücke. »Sie?«
    Rebus schnaubte durch die Nase. »Ich bin ein Dinosaurier, Shiv – damals in der Bronzezeit durfte man auch ohne Diplom und Gelehrtenhut Detective werden.«
    »Waren die Dinosaurier in der Bronzezeit nicht schon längst ausgestorben?«
    »Da ich nicht auf dem College war, ist das genau eines der Dinge, die ich nicht weiß. Meinen Sie, es besteht die Chance, dass da oben ein Kaffee für uns rausspringt?«
    »Sie meinen, in der Wohnung?« Er nickte. »Sie würden den Kaffee eines Toten trinken?«
    »Ich hab schon erheblich Schlimmeres getrunken.«
    »Wissen Sie was? Das glaube ich Ihnen aufs Wort.« Clarke war inzwischen aus dem Auto gestiegen, und Rebus folgte ihr. »Das da drüben dürfte sie sein.«
    Sie stand bei bereits aufgeschlossener Haustür auf der obersten Stufe der Vortreppe und winkte. Die zwei Polizisten winkten zurück – Clarke, weil es sich so gehörte, und Rebus, weil Scarlett Colwell umwerfend aussah. Ihr Haar fiel ihr in weichen rotbraunen Wellen auf die Schultern, ihre Augen waren dunkel, ihre Kurven beeindruckend. Sie trug einen engen grünen Minirock, eine schwarze Strumpfhose und braune Schaftstiefel. Ihr Rotkäppchenumhang reichte gerade mal bis zur Taille. Als ein Windstoß ihr das Haar in die Augen wehte und sie es zurückstrich, kam sich Rebus wie in einem Werbespot vor. Ihre leicht verschmierte Wimperntusche verriet ihm, dass sie ein paar Tränen vergossen hatte, aber bei der Begrüßung war sie dann ganz nüchtern und sachlich.
    Sie folgten ihr vier Treppen empor zum Obergeschoss, wo sie die Tür von Alexander Todorows Wohnung aufschloss; Rebus, der auf dem unteren Absatz eine Verschnaufpause eingelegt hatte, kam gerade in dem Moment oben an, als sie die Tür öffnete. Die Wohnung hatte nicht viel zu bieten: Ein kurzer, enger Flur führte zum Wohnzimmer mit Kochnische. Es gab ein winziges Duschbad, eine separate Toilette und ein Einbettschlafzimmer mit Blick auf die Meadows. Da sich die Wohnung im Dachgeschoss befand, waren die Wände schräg. Rebus fragte sich, ob der Dichter sich mal plötzlich im Bett aufgesetzt und den Kopf angeschlagen hatte. Die Wohnung wirkte nicht so sehr leer als geradezu ausgestorben, so als hätte das Verschwinden ihres letzten Bewohners eine deutliche Spur hinterlassen.
    »Die Sache tut uns sehr leid«, sagte Siobhan Clarke, als sie alle im Wohnzimmer standen. Rebus schaute sich um: ein Papierkorb voll zerknüllter Gedichte, eine neben dem ramponierten Sofa liegende leere Cognacflasche, an der Wand über einem Klapptisch, auf dem eine elektrische Schreibmaschine stand, ein Plan des Edinburgher Busnetzes. Es gab weder Computer noch Fernseher, noch eine Musikanlage, lediglich ein Kofferradio mit abgebrochener Antenne. Dafür überall Bücher – teils englische, teils russische, dazu noch einige in anderen Sprachen. Auf der Armlehne des Sofas lag ein Griechischwörterbuch. Auf einem Regal für Nippsachen standen leere Bierdosen, auf dem Kaminsims Einladungen zu Partys vom vergangenen Monat. Im Flur hatte Rebus ein Telefon entdeckt. Er fragte, ob der Dichter ein Handy besessen hätte. Als Colwell den Kopf schüttelte und ihre Mähne ins Schwingen brachte, wusste Rebus, dass er
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