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Ein Pony auf großer Wanderung

Ein Pony auf großer Wanderung

Titel: Ein Pony auf großer Wanderung
Autoren: Tina Caspari
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gefolgt von Jacaranda und ihrem übermütigen Sohn Januarsturm, den zu halten Hubert alle Kraft brauchte.
    Bis zum Eingang des Stalls hätte man die Fohlen ohne weiteres frei neben ihren Müttern laufen lassen können. Aber da es oft genug vorgekommen war, daß sich die übermütige Schar in dem Augenblick, in dem man sie in den neuen Stall führen wollte, selbständig gemacht hatte und davongaloppiert war, ging Herr Tiedjen dieses Risiko nicht mehr ein.
    Am Eingang zum Fohlenstall hatten sich weitere Helfer eingefunden: Ignaz der Schreckliche, der mit seiner Kraft in der Lage war, notfalls ein widerspenstiges Pferdekind in den Stall zu tragen, und Max Hütter, der Direktor des Reiterinternats.
    Jetzt kam der schwierigste Teil des Unternehmens. Die Fohlen mußten in den Stall geführt werden, während die Mütter draußen blieben. Im ersten Augenblick bemerkten die meisten Pferdekinder kaum, was da geschah; die Neugierde trieb sie vorwärts, Krippen, Stroh und Laufstall mußten beschnuppert und untersucht werden. Aber kaum wurde das Tor geschlossen und die Mutterstuten weggeführt, begann der Jammer. Herzzerreißendes Wiehern und schrilles Schreien drang von drinnen nach draußen, von draußen nach drinnen. Aufgestört drängte die Schar zum Ausgang, lief hierhin und dorthin, die Ohren gespitzt, auf die mütterlichen Rufe horchend und Antwort schreiend.
    Simon hatte Pünktchen noch auf der Koppel Trense und Sattel angelegt. Jetzt saß er auf und trieb sein Pferd in einen scharfen Galopp. Den Kopf weit vorgebeugt, lag er fast auf dem Hals der Stute und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.
    „Ich bin ein sentimentaler Trottel“, schimpfte er leise. „Einmal muß es doch sein. In ein paar Tagen oder Wochen ist alles vergessen; Pinocchio wird glücklich mit den anderen herumtoben. Und in ein paar Monaten wird Pünktchen vielleicht ein neues Fohlen haben.“
    Aber der Schmerz blieb. Vielleicht, weil Pinocchio Pünktchens erstes Fohlen gewesen war. Vielleicht, weil er so mit der Stute verwachsen war, seit sie nach dem Unfall ein Fohlen verloren hatte und es um Leben oder Tod ging. Vielleicht... Nein, er wußte es nicht. Er wünschte nur sehnlich, diesen Ton nicht mehr im Ohr zu haben, dieses klägliche, fragende, jammervolle Wiehern des Fohlens.
    Simon blieb lange bei seiner Stute. Er sah ihr beim Fressen zu, rieb ihr den Rücken ab, streichelte und klopfte sie, lockerte die Streu und sprach ununterbrochen mit ihr, bis Bettina in den Stall kam und ihn zum Abendessen rief.
    In Groß- Willmsdorf kam man noch lange nicht zur Ruhe. Immer verzweifelter riefen die Fohlen nach ihren Müttern, nicht begreifend, was diese ungewohnte Trennung bedeuten sollte. Aus der Ferne klangen die Stimmen der Stuten herüber.
    Bille, Joy, Nico und Florian waren im Fohlenstall geblieben und versuchten nach Kräften, die aufgeregte Gruppe zu beruhigen und abzulenken.
    „Komm, Pinocchio , sei still, mein Kleiner! Bist doch ein braver Junge“, redete Bille ihrem Liebling zu. „Du mußt jetzt tapfer sein. Bist doch groß und stark und schon lange kein Baby mehr!“
    Aber das verwirrte Fohlen drängte nur um so heftiger gegen die Tür und bearbeitete die Holzlatten mit den Hufen.
    „So einen Zirkus habe ich schon lange nicht mehr erlebt!“ stöhnte Florian. „Ein Kindergarten mit drei Dutzend heulenden Vierjährigen ist nichts dagegen!“
    „Wenn das so weitergeht, heule ich bald mit“, seufzte Nico. „Das kostet ganz schön Nerven. Beruhigen die sich denn gar nicht mehr?“
    „San Marco ist nicht nur unglücklich, der ist auch richtig wütend!“ meinte Joy lächelnd. „Sein Wiehern hört sich an wie Protestgeschrei. Kommt, mehr können wir jetzt doch nicht tun. Irgendwann werden sie müde werden, und morgen ist alles nicht mehr so schlimm.“
    Bille zögerte.
    „Na komm, Bille, du kannst doch nicht die ganze Nacht bei Pinocchio bleiben. Als Ersatzmutter erkennt er dich sowieso nicht an.“
    „Du hast recht .“
    Sie verließen den Stall, und Joy knipste das Licht aus. „Ich werde später noch einmal nach ihnen sehen. Soll ich euch nach Hause fahren?“
    „Das wär super, ich habe Zottel doch heute in Wedenbruck gelassen und bin mit dem Fahrrad rübergekommen.“
    „Okay, steigt ein.“
    Es dauerte eine Weile, ehe sich Nico und Florian trennen konnten. Nico mußte ins Internat hinüber wie jeden Abend. Und wie jeden Abend gab es einen Abschied, als müßten sie für Monate auseinandergehen.
    Bille saß auf dem Rücksitz
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