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Ein Mann von Ehre

Ein Mann von Ehre

Titel: Ein Mann von Ehre
Autoren: ANNE HERRIES
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ihrem Stiefsohn zu Eifersucht führte. Da er seiner ersten Gattin stets versprochen hatte, sein Sohn werde eines Tages eine englische Schule besuchen, hielt er es für angebracht, ihn nach der zweiten Hochzeit herzuschicken.“
    Rosalyn konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Mr. Wrexham ihr nicht die volle Wahrheit berichtete. Andererseits sah sie keinen Anlass, weshalb er sie belügen sollte, es sei denn, er hatte, da sie beide sich nur flüchtig kannten, kein Vertrauen zu ihr.
    „Ich hoffe, das, was ich Ihnen erzählt habe, führt nicht dazu, dass Sie, was Ihren Besuch bei uns betrifft, plötzlich anderen Sinnes werden.“
    „Nein, natürlich nicht“, versicherte sie. „Im Gegenteil! Ich mag Ihren charmanten Schützling, Sir, und hoffe, wir alle werden uns in diesem Sommer noch besser kennenlernen.“
    „Wie reizend von Ihnen, das zu sagen. Für Jared und mich wäre es, da wir hier Fremde sind, sehr angenehm, jemanden zu haben, mit dem wir freundschaftlich verkehren können.“
    Rosalyn hatte das Gefühl, dass Mr. Wrexham mit dieser Bemerkung noch etwas anderes verband, und fragte sich, was sie noch bedeuten mochte.
    Er sah ihr wechselndes Mienenspiel, ahnte, was sie dachte, und fuhr leichthin fort: „Suchen Sie nicht zu angestrengt nach Antworten auf die Fragen, die sich Ihnen stellen, Miss Eastleigh. In gewisser Weise sind Sie wie Jareds Mutter, und ich glaube, es wird ihm, da er sie noch immer sehr vermisst, guttun, einige Zeit mit Ihnen zu verbringen, sodass er den Kummer verwindet.“
    „Selbstverständlich trage ich gern meinen Teil dazu bei, weiß jedoch nicht, wie ich dem Jungen helfen könnte.“
    „Seien Sie einfach so, wie Sie sind“, empfahl Damian.
    Rosalyn starrte ihn an und fühlte das Herz schneller schlagen.
    Unvermittelt neigte er sich zu ihr und drückte ihr einen leichten Kuss auf den Mund. Erschrocken zuckte sie zurück.
    „Das hätte ich nicht tun dürfen“, entschuldigte er sich. „Aber ich konnte nicht widerstehen.“
    „Das war ziemlich verwegen!“, erwiderte sie und spürte sich stark erröten. An sich hätte sie verärgert sein müssen, ihn zurechtweisen sollen, doch vor Überraschung und Verwirrung fühlte sie sich dazu nicht imstande. „Wenn Sie wieder das Verlangen verspüren sollten, mich zu küssen, Sir, wäre es mir lieber, Sie gäben mir das vorher zu verstehen. Man sollte sich auf einen Kuss freuen und ihn dann richtig genießen können.“
    Ungläubig schaute Damian Miss Eastleigh an und warf dann lachend den Kopf in den Nacken. Er fand ihre Äußerung weitaus verwegener als sein Verhalten. „Bei meinem letzten Aufenthalt in diesem Land hätte ich mir durch mein impertinentes Benehmen bestimmt eine Ohrfeige eingehandelt“, sagte er erheitert. „Sie sind wirklich eine sehr ungewöhnliche junge Dame, Miss Eastleigh!“
    „Und Sie sind mit keinem der Herren meines Bekanntenkreises zu vergleichen“, erwiderte sie und fühlte die Wangen noch mehr brennen. „Ich nehme an, dass Sie, da Sie vermutlich einige Jahre in Indien lebten, in dieser Zeit vergessen haben, was man einer Dame schuldig ist.“
    Mr. Wrexhams Lachen klang so herzlich und ansteckend, dass sie wider Willen lächelte. Zudem fühlte sie sich geschmeichelt, weil er der Versuchung erlegen war, sie zu küssen. Es war sehr lange her, seit ein Mann ihr nur den ihr gebührenden Respekt bewiesen hatte. Im Übrigen war sie auch noch nicht so alt, als dass sie nicht mehr Gefallen an einer harmlosen Tändelei gefunden hätte.
    „Das war der Verweis, den ich herausgefordert habe, nicht wahr?“, fragte Damian amüsiert. Es genoss das kleine Geplänkel mit ihr. „Wie erfrischend Sie sind, Miss Eastleigh! Sie sind Jareds Mutter Anna sogar viel ähnlicher, als ich zunächst dachte. Nun wird die nähere Bekanntschaft mit Ihnen nicht nur Jared guttun, sondern auch mir!“
    Der Vergleich mit der Mutter des Jungen sollte offenbar als Kompliment verstanden werden und machte Rosalyn noch neugieriger auf die Frau, die es gewagt hatte, einen Inder zu ehelichen.
    „Wie war Jareds Mutter?“
    „Sie war sehr schön und eigenwillig“, antwortete Damian bedächtig. „Im Allgemeinen bekam sie, was sie sich in den Sinn gesetzt hatte, ohne jedoch darum zu betteln oder es gar mit erhobener Stimme zu fordern. Sie nahm einfach an, jedermann werde tun, was sie von ihm forderte, und das war dann auch der Fall. Ihr Gatte hat sie vergöttert und sehr unter ihrem Tod gelitten. Der Grund für die überstürzte zweite Ehe war
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