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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco
Autoren: Hanni Bayers
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W. Bush und ungeliebte Republikaner. Da wundert es keinen, wenn San Francisco auch den liberalsten Gerichtshof der USA hat und das Volk im Rahmen von Bürgerbegehren wesentlich mehr Einfluss auf die Politik ausübt als in anderen Städten. Mit den Bürgerbegehren, den sogenannten propositions , kann grundsätzlich jedermann Gesetzesvorschläge vorlegen. So gab es erst kürzlich Anträge zu einem Goldfisch-Bann für Zoohandlungen aus Gründen des Tierschutzes. Nicht zu vergessen auch die Anti-Beschneidungs-Initiative mit ihrem Vorschlag, die „Hautkürzung“ kleiner Jungen zu verbieten, weil es einfach ein zu brutales und schmerzhaftes Unterfangen sei. Man kann sich vorstellen, dass die Muslime und Juden in der Stadt zumindest von diesem unkonventionellen Bürgerbegehren wenig begeistert waren.
    Als wir wenig später die Einkäufe im Kühlschrank verstauen, klingelt mein Handy. Vijay ist dran, und er ist ganz aufgeregt. „Du, ich habe Tickets für ein San-Francisco-49ers-Spiel heute Abend. Wollt ihr mit?“ Ich stelle auf laut und schaue Charles fragend an. „Awesome – can’t wait!“, schreit Charles so laut in mein Handy, dass ich befürchte, Vijay müsse am anderen Ende der Leitung das Ohr abfallen.„Dude, relax!“, ruft Vijay noch lauter. „I just love them – I bring fan-tricots“, sagt Charles und freut sich den Rest des Tages auf das 49ers-Spiel.
    Am Abend sitzen wir also, wie es sich für echte Fans gehört, in dunkelroter Montur im Stadion Candlestick Park in Bayview . Ich bete, dass Vijay und Charles sich mit American-Football-Expertengesprächen zurückhalten. Zum Glück haben sie Hunger. „Willst du auch was?“, fragt Charles, ich nicke, und die beiden laufen in Richtung der Imbissstände. Fünf Minuten gewonnen, in denen ich mich per Google schnell zu den 49ers informiere: Aha, obwohl sie bis in die frühen Neunzigerjahre das Dream-Team der National Football League (NFL) waren, haben sie es seither nicht mehr in die Play-offs geschafft. Die Jungs brauchen länger als erwartet. Sehr gut! Schnell lese ich mich durch die wichtigsten Fakten der zwei wichtigsten Sportarten: Baseball und American Football. Denn sich in den USA weder mit Baseball noch mit American Football auszukennen grenzt beinahe an Landesverrat.
    Seine Wurzeln hat der Baseball im Schlagballspiel, das von den Briten für kleine Kinder erfunden wurde, und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg wurde das neue Spiel so richtig populär. Während Baseball noch stärker ein Erlebnis mit der ganzen Familie ist, fällt American Football härter und aggressiver aus und erfordert vom Zuschauer eine höhere Aufmerksamkeit. In der Baseball-Saison, die bis Ende Oktober dauert, pilgern ganze Familien in das AT & T- Stadion, essen, trinken, quatschen und verbringen einen entspannten Sonntag beim Sport. Daher auch die Bezeichnung America’s pastime , des Amerikaners liebster Zeitvertreib. Doch mit dem TV- und Internet-Trend hielt auch der American Football Einzug in die amerikanischen Wohnzimmer, und zwar Arm in Arm mit weiteren Sportarten wie Hockey, Basketball und Surfen. Dies warf die Amerikaner in unterschiedlichesportliche Fanlager. So ist heute wohl Baseball immer noch der Sport, den die Familien gemeinsam verfolgen, die Kollegen im Büro bequatschen, die Nachbarn über den Gartenzaun kommentieren – doch die Popularität hat mit der wachsenden Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen und Geschmäcker etwas nachgelassen. Der Superbowl , das Endspiel um die Football-Meisterschaft, ist inzwischen zum größten Sport- und Fernseh-Ereignis in den USA herangewachsen. American Football kommt sicherlich auch dem Show-Gedanken von Kalifornien näher als Baseball. Große Stars wie Mariah Carey, Beyonce Knowles oder Christina Aguilera werden auf die Bühne geholt, um dem Publikum so richtig einzuheizen. Ein patriotischer Höhenflug ohnegleichen rauscht durch das ganze Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wenn zur Eröffnung des Superbowl die amerikanische Nationalhymne angestimmt wird. Genauso versetzte es wohl mehr als 106 Millionen Zuschauer, also jeden dritten Amerikaner, in Schockstarre, als das Popsternchen Christina Aguilera sich beim Trällern der gelobten Hymne gleich zweimal versang. In San Francisco brach beinahe der Server des Kurzmitteilungsdienstes Twitter zusammen, so viele Menschen gossen Häme über den Fehler von Christina aus. Wenn ich mich zwischen Baseball und Football entscheiden müsste, ist es wohl der Football-Sport, für
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