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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König
Autoren: Dave Eggers
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der Killer, garantiert. Das Zeichen dafür, dass du am Boden bist und nicht mehr hochkommst!
    Alan hörte das nicht zum ersten Mal, aber er wollte es nicht mehr hören. Er setzte seinen Kopfhörer auf und schaute sich den Rest des Fluges Filme an.
    Alan ging vom Balkon zurück in die dunkle Kühle des Zimmers.
    Er dachte an sein Haus. Er fragte sich, wer wohl gerade in seinem Haus war. Wer wohl gerade hindurchging, Sachen anfasste, es wieder verließ.
    Sein Haus stand zum Verkauf, seit vier Monaten. Ist das der See, in dem der Typ erfroren ist?
    Wenn Ruby anrief, dann nur wegen des Hauses. War es verkauft? Sie brauchte das Geld und fürchtete, Alan würde das Haus verkaufen und ihr den Verkauf irgendwie verheimlichen. Du erfährst schon, wenn es verkauft ist, sagte er zu ihr. Außerdem gibt’s ja noch das Internet, sagte er. Er legte auf, als sie loszeterte.
    Eine Frau hatte Alans Haus aufgehübscht. Es gibt Leute, die so was machen. Die kommen zu dir und machen dein Haus ansprechender, als du es je könntest. Sie hellen die Dunkelheit auf, die du mit deiner menschlichen Misere hineingebracht hast.
    Danach lebst du bis zum Verkauf in einer Version deines Hauses, einer besseren Version. Einer mit mehr Gelb und Blumen und Tischen aus aufgearbeitetem Holz. Deine eigenen Habseligkeiten sind irgendwo eingelagert.
    Ihr Name war Renee; sie hatte flaumiges Haar, das hochtoupiert war wie Zuckerwatte. Sie müssen zunächst mal ausmisten, sagte sie. Sie müssen neunzig Prozent von Ihrem ganzen Kram in Kartons packen und aus dem Haus schaffen, sagte sie und machte dabei eine ausladende Armbewegung über alles hinweg, was er in zwanzig Jahren angesammelt hatte.
    Er packte es ein. Er schaffte es aus dem Haus, alles. Er ließ die Möbel stehen, aber als sie wiederkam, sagte sie: Jetzt tauschen wir die Möbel aus. Möchten Sie welche kaufen oder mieten?
    Er schaffte seine Möbel aus dem Haus. Im Wohnzimmer standen zwei Couches, und er verschenkte sie beide. Die eine an eine Freundin von Kit. Die andere an Chuy, der für ihn den Rasen mähte. Renee mietete Kunst. Unverfängliche Abstraktionen, nannte sie sie. Sie hingen in jedem Zimmer, Gemälde mit angenehmen Farben, vagen Formen, die nichts bedeuteten.
    Das war vier Monate her. Er wohnte die ganze Zeit in dem Haus, verschwand, wenn die Makler es zeigen wollten. Manchmal blieb er. Manchmal schloss er sich in seinem Homeoffice ein, während die Besucher durch sein Haus gingen, Bemerkungen machten. Niedrige Decken, sagten sie zum Beispiel. Kleine Schlafzimmer. Sind das die Originalböden? Es riecht muffig. Sind die Bewohner ältere Leute?
    Manchmal sah er zu, wie die Interessenten hereinkamen, wieder gingen. Er spähte durch sein Bürofenster wie ein Schwachsinniger. Einmal blieb ein Pärchen so lange, dass Alan in eine Kaffeetasse urinieren musste. Eine Besucherin, eine Geschäftsfrau in einem langen Ledermantel, sah ihn durchs Fenster, als sie wegging, die Einfahrt hinunter. Sie drehte sich zu dem Makler um und sagte: Ich glaube, ich habe gerade einen Geist gesehen.
    Alan sah zu, wie die Wellen sich sanft am Ufer brachen. Wer wusste schon, dass Saudi-Arabien eine ausgedehnte und unberührte Küste hatte? Alan hatte das nicht gewusst. Er blickte nach unten auf ein paar Dutzend Palmen, die im Hof entweder von diesem Hotel oder von dem nebenan gepflanzt waren, dahinter das Rote Meer. Er überlegte, hierzubleiben. Er könnte einen neuen Namen annehmen. Er könnte sämtliche Schulden abwerfen. Kit irgendwie Geld schicken, den würgenden Schraubstock seines Lebens in Amerika zurücklassen. Er hatte es vierundfünfzig Jahre ertragen. War das nicht genug?
    Aber nein. Er war mehr als das. An manchen Tagen war er mehr als das. An manchen Tagen konnte er die Welt umfassen. An manchen Tagen konnte er meilenweit sehen. An manchen Tagen kletterte er über die Ausläufer der Gleichgültigkeit und sah die Landschaft seines Lebens und seiner Zukunft als das, was sie wirklich war: kartografierbar, bezwingbar, erreichbar. Alles, was er machen wollte, war schon gemacht worden, also wieso sollte er das nicht können? Er konnte es. Wenn er nur dauerhaft daran arbeiten könnte. Wenn er nur einen Plan aufstellen und ihn ausführen könnte. Er konnte es! Er musste glauben, dass er es konnte. Natürlich konnte er es.
    Dieses Abdullah-Geschäft war so gut wie unter Dach und Fach. Niemand konnte mit der Größe von Reliant konkurrieren, und jetzt hatten sie ein gottverdammtes Hologramm. Alan würde den Sack
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