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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König
Autoren: Dave Eggers
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Königreich erwarteten. Das US -Außenministerium hatte für Saudi-Arabien die höchste Warnstufe ausgegeben. Entführungen waren nicht unwahrscheinlich, Alan könnte an Al Kaida verkauft, als Geisel festgehalten, über Grenzen verschleppt werden. Aber Alan hatte sich noch nie irgendwo gefährdet gefühlt, dabei war er in den Neunzigern beruflich in Juárez, in den Achtzigern in Guatemala gewesen.
    Das Telefon klingelte.
    – Wir haben einen Fahrer für Sie. Wann möchten Sie ihn?
    – So schnell wie möglich.
    – Er ist in zwölf Minuten da.
    Alan duschte und rasierte sich den fleckigen Hals. Er zog sich an: Unterhemd, weißes Button-down-Hemd, Kakihose, Slipper, hellbraune Socken. Kleide dich einfach wie ein amerikanischer Geschäftsmann, war ihm geraten worden. Es gab abschreckende Beispiele von übereifrigen Westtouristen, die lange Thawbs trugen und den Kopf bedeckten. Die sich anzupassen versuchten, mit allen Mitteln. Derlei Bemühungen wurden nicht geschätzt.
    Während er den Kragen seines Hemdes richtete, befühlte Alan den Knoten, den er einen Monat zuvor im Nacken entdeckt hatte. Er hatte die Größe eines Golfballs, stand von der Wirbelsäule ab und fühlte sich an wie Knorpel. An manchen Tagen dachte er sich, dass der Knoten Teil der Wirbelsäule war, was könnte er denn sonst sein?
    Es könnte ein Tumor sein.
    Ein solcher Knoten, direkt an der Wirbelsäule – der musste aggressiv und tödlich sein. In letzter Zeit fühlte sich Alan etwas wirr im Kopf und unsicher auf den Beinen, und es war irgendwie vollkommen und schrecklich einleuchtend, dass da irgendwas wuchs, an ihm nagte, ihm die Lebenskraft raubte, alle Klarheit und Zielstrebigkeit auspresste.
    Er hatte vorgehabt, zum Arzt zu gehen, hatte es dann aber doch nicht getan. Kein Arzt konnte so etwas operieren. Alan wollte keine Bestrahlung, wollte nicht kahlköpfig werden. Nein, der Trick war, das Ding ab und an zu betasten, auf Begleitsymptome zu achten, es noch ein bisschen mehr zu betasten und dann nichts zu tun.
    Innerhalb von zwölf Minuten war Alan startklar.
    Er rief Cayley an.
    – Ich verlasse jetzt das Hotel.
    – Gut. Bis Sie ankommen, haben wir alles aufgebaut.
    Das Team konnte ohne ihn dahin kommen, das Team konnte ohne ihn alles aufbauen. Also warum war er dann überhaupt da? Die Gründe waren dürftig, aber für seine Mitwirkung ausschlaggebend gewesen. Erstens war er älter als die anderen Teammitglieder, die allesamt eigentlich noch Kinder waren, keiner über dreißig. Zweitens hatte er einmal König Abdullahs Neffen kennengelernt, als sie Mitte der Neunziger an einem Kunststoff-Projekt beteiligt gewesen waren, und Eric Ingvall, der New Yorker Reliant-Chef, meinte, die Beziehung würde ausreichen, um die Aufmerksamkeit des Königs zu gewinnen. Was wahrscheinlich nicht stimmte, aber Alan hatte es vorgezogen, ihn in dem Glauben zu lassen.
    Alan war heilfroh über den Job. Er brauchte den Job. Die gut achtzehn Monate vor Ingvalls Anruf waren demütigend gewesen. Eine Steuererklärung für ein zu versteuerndes Einkommen von 22.350 Dollar einzureichen war eine Erfahrung, auf die er in seinem Alter nicht mehr gefasst war. Er hatte seine Consultingfirma sieben Jahre lang von zu Hause aus betrieben, und Jahr für Jahr waren die Einnahmen geschrumpft. Kein Mensch wollte Geld ausgeben. Noch vor fünf Jahren waren die Geschäfte gut gelaufen; alte Freunde hatten ihm Aufträge verschafft, und er war nützlich für sie. Er brachte sie mit Verkäufern in Kontakt, zog Strippen, fädelte Deals ein, machte Kohle. Er hatte sich nützlich gefühlt.
    Jetzt war er vierundfünfzig Jahre alt und für die amerikanische Unternehmenswelt so faszinierend wie ein Flugzeug aus Lehm. Er konnte keine Arbeit finden, konnte keine Aufträge an Land ziehen. Er war von Schwinn zu Huffy gegangen, weiter zu Frontier Manufacturing Partners, dann zu Alan Clay Consulting, um schließlich zu Hause zu hocken und sich auf DVD anzugucken, wie die Red Sox die Finalspiele von ’04 und ’07 gewannen. Das Spiel, in dem sie gegen die Yankees vier Homeruns in Serie schafften. 22. April 2007. Er hatte sich die viereinhalb Minuten hundertmal angesehen und jedes Mal so etwas wie Freude empfunden. Ein Gefühl von Richtigkeit, von Ordnung. Es war ein Sieg, der nie wieder weggenommen werden konnte.
    Alan rief die Rezeption an.
    – Ist der Wagen da?
    – Es tut mir leid, der Fahrer verspätet sich.
    – Sind Sie das, der Mann aus Jakarta?
    – Ja.
    – Edward.
    – Richtig.
    – Hi,
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