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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König
Autoren: Dave Eggers
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kommt er in die Jahre und schreibt sein Testament. Und in dem Testament verfügt er, dass er einen Grabstein ohne seinen Namen drauf haben möchte. Er will in einem anonymen Grab beerdigt werden, mit einem einfachen Grabstein, ohne Namen oder sonst was drauf. Als er stirbt, respektiert seine Frau seinen Wunsch. Und da liegt er dann, in diesem anonymen Grab, aber jedes Mal, wenn Leute an dem Grab vorbeigehen und den unbeschrifteten Grabstein sehen, sagen sie: »Seht mal, ist das nicht Seltsam?«
    Yousef lachte, musste sich die Augen wischen.
    Alan mochte diesen Typen. Selbst Kit, seine eigene Tochter, schüttelte jedes Mal den Kopf, Nein, bitte nicht, wenn er versuchte, einen Witz zu erzählen.
    Alan fuhr fort. – Okay. Frage: Wie nennt man einen Typen, der achtundvierzig Liebestechniken kennt, aber keine einzige Frau?
    Yousef zuckte die Achseln.
    – Einen Consultant.
    Yousef lächelte. – Nicht schlecht, sagte er. Ein Consultant. Das sind Sie.
    – Das bin ich, sagte Alan. Zumindest für eine Weile.
    Sie kamen an einem kleinen Vergnügungspark vorbei, bunt bemalt, aber anscheinend verlassen. Ein Riesenrad, rosa und gelb, stand allein da und wartete auf Kinder.
    Alan überlegte sich noch einen Witz.
    – Okay, der hier ist besser. Ein Polizist ist zu einem schrecklichen Autounfall gerufen worden. Als er ankommt, liegen überall Körperteile von den Opfern herum. Hier ein Arm, dort ein Bein. Er schreibt alles in sein Notizbuch: »Kopf auf Bullevard«, aber er schreibt es B-u-l-l, und er weiß, dass das falsch ist. Also streicht er es durch, versucht es noch einmal. »Kopf auf Bouelevard.« Wieder schreibt er es falsch, zu viele »e«. Also noch mal durchgestrichen. Nächster Versuch. »Kopf auf Buhlevard«, B-u-h-l. »Verdammt!«, sagt er. Er blickt sich um und sieht, dass keiner guckt. Er stupst den Kopf ein bisschen mit dem Fuß an, greift wieder zum Bleistift. »Kopf in Rinnstein.«
    – Der ist gut, sagte Yousef, obwohl er nicht gelacht hatte.
    Sie fuhren schweigend ein oder zwei Meilen. Die Landschaft war platt und leer. Alles, was hier in der erbarmungslosen Wüste gebaut wurde, war ein schierer Willensakt, der einem Terrain aufgezwungen wurde, das zur Besiedlung ungeeignet war.
    Als sie Charlies Körper aus dem See zogen, sah er aus wie Abfall. Er trug eine schwarze Windjacke, und Alans erster Gedanke war, dass da ein Haufen Blätter in eine Plane eingewickelt lag. Nur seine Hände waren unverkennbar menschlich.
    – Brauchen Sie irgendwas von mir?, fragte Alan die Polizisten.
    Sie brauchten nichts. Sie hatten alles gesehen. Vierzehn Polizisten und Feuerwehrleute hatten zugesehen, wie Charlie Fallon im Laufe von fünf Stunden in dem See starb.

V.
    – UND WARUM FAHREN SIE DAHIN?
    – Wohin?
    – KAEC.
    Yousef sprach es aus wie cake. Gut zu wissen, dachte Alan.
    – Arbeit, sagte Alan.
    – Sind Sie im Baugewerbe?
    – Nein. Wieso?
    – Ich dachte, Sie helfen vielleicht mit, dass es endlich losgeht. Da passiert nämlich nichts. Keinerlei Bauarbeiten.
    – Sie waren schon da?
    Alan ging davon aus, dass die Antwort Ja lauten würde. Es müsste das größte Projekt in der näheren Umgebung von Dschidda sein. Also hatte Yousef es natürlich gesehen.
    – Nein, sagte er.
    – Wieso nicht?
    – Da ist nichts.
    – Noch nicht, korrigierte Alan.
    – Niemals.
    – Niemals?
    – Da wird nichts passieren, sagte Yousef. Das Projekt ist tot.
    – Was? Es ist nicht tot. Ich hab monatelang dafür recherchiert. Ich mache da eine Präsentation. Die gehen mit Volldampf voraus.
    Yousef sah Alan an und lächelte, ein breites Grinsen, mächtig amüsiert. Warten Sie ab, bis wir da sind, sagte er. Er steckte sich wieder eine Zigarette an.
    – Mit Volldampf voraus?, sagte er. Von wegen.
    Wie aufs Stichwort kam eine Reklametafel in Sicht, die für das Bauprojekt warb. Eine Familie posierte auf einer Veranda, hinter ihnen ein wenig überzeugender Sonnenuntergang. Der Mann war Saudi, Geschäftsmann, Handy in einer Hand, Zeitung in der anderen. Die Frau, die dem Mann und zwei lebhaften Kindern das Frühstück servierte, trug einen Hidschab, eine züchtige Bluse und Hose. Unter dem Foto stand: King Abdullah Economic City: die vision eines mannes, die hoffnung einer nation.
    Alan zeigte darauf. – Sie glauben, das wird nicht passieren?
    – Was weiß ich? Ich weiß bloß, dass sie da noch nichts gemacht haben.
    – Was ist mit Dubai? Das ist passiert.
    – Das hier ist nicht Dubai.
    – Es kann nicht Dubai sein?
    – Es wird nicht
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