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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Autoren: Christine Birkhoff
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zu sein oder zu Jürgen und Margot mitfahren zu dürfen ...
    Es gab Freitagabende, an denen lud mein Vater zehn bis fünfzehn Personen zum arabischen Essen zu uns nach Hause ein. An diesen Freitagen ging mein Vater nicht zum Pokern, sondern kochte den ganzen Tag lang. Als Kind hatte ich immer das Gefühl, dass er gern viele Gäste bewirtete. Mein Vater hatte bei diesen Kochgelagen stets gute Laune und freute sich, dass ich bestimmte Speisen aus seiner Heimat sehr gern aß. Diese Momente waren die einzigen, die mir in Erinnerung geblieben sind, in denen ich meinen Vater als Vater erlebte.
    »Papa«, fragte ich ihn dann, »machst du auch wieder Kebab?« Oder: »Papa, machst du wieder den Reis mit Mandeln und Rosinen? Und den gelben Reis? Und den roten Reis?«
    Mein Vater blickte mich an, hob mich herauf auf die Küchenanrichte, und seine großen braunen Augen schauten mich warm an.
    »Christine«, antwortete er, »ich mache dir so viel Kebab, wie in deinen Bauch reinpasst, und das Fleisch, das ich nicht gebrauchen kann, schenke ich dir, damit du die wilden Katzen füttern kannst.«
    Wenn mein Vater kiloweise den Reis kochte und mal mit Safran, mal mit Tomaten und mal mit Mandeln und Rosinen abschmeckte, dann war er für einen Bruchteil meines kleinen Lebens wirklich mein Vater. Er investierte viel Liebe und Leidenschaft in seine Kochkünste, und diese positiven Gefühle zogen mich an. Bevor wir in die Sauna fuhren, wurde das Wohnzimmer ausgeräumt. Alle Möbel wurden im Badezimmer vor meinem Bett aufgebaut, und ein kleiner Spalt blieb frei, damit ich in mein Bett krabbeln konnte. Der Wohnzimmerboden wurde mit Teppichen ausgerollt, große lederne Sitzkissen wurden verteilt und die gewaltig aussehenden Kupferteller bereitgestellt. Auf diesen Tellern wurden später die verschiedenen Reissorten, die Fleischspieße, das Bohnenfleisch und das Kebab verteilt. Für alle Gäste lagen die typisch orientalischen Herren-Nachthemden bereit, und der arabische Abend konnte beginnen.
    In Scharen strömten nach der Sauna die Gäste ins Wohnzimmer, und obwohl sie an meiner Küchenbank vorbeimussten, ignorierten sie meine Anwesenheit. Selbst Margot stürzte unmittelbar ins Wohnzimmer. Ausschließlich Jürgen hielt an meinem Platz inne. Als er mich an einem dieser Abende ins Bett bringen wollte, begleitete meine Mutter ihn. Das war eine echte Sensation, denn ich erinnere mich an kein einziges Mal, an dem meine Mutter oder mein Vater mich jemals zu Bett gebracht hätten. Vermutlich wollte sie einfach nur gut bei ihm ankommen, und wieder einmal rügte Jürgen meine Mutter, als er sah, dass sich das Badezimmer in eine Abstellkammer verwandelt hatte. Ohnehin, so schimpfte er, seien diese Wohnverhältnisse nun wirklich »unter aller Sau«. Jürgen entwickelte sich in meinem kleinen Kinderköpfchen langsam, aber sicher zu einem »Traumpapa«, um den ich Ulf und Martin ernsthaft beneidete ...
    Niemals wurde dieser Mann laut, und er schien eine große Begabung zu besitzen, Kinderseelen zu verstehen. Ich hätte ihm bedingungslos mein Herz ausgeschüttet und konnte damals noch nicht ahnen, dass ich dies eines Tages auch tun und später bitter bereuen würde.
    In den knapp fünf Jahren dieser Freundschaft verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Margot und meiner Mutter zusehends. Zu Hause war ich es ohnehin gewohnt, dass über alles und jeden gelästert wurde, und Margot, die Nurhausfrau, war allein schon aufgrund ihrer privilegierten Stellung meiner Mutter ein Dorn im Auge.
    Verglichen mit dem Leben meiner Mutter führte Margot sicherlich das schönere und normalere Leben. Letzteres schien meine Mutter ganz offensichtlich zu verdrängen. Jürgen war kein Mann, der sich im Haushalt engagierte, und der Alltag musste von Margot alleine bewältigt werden. Ich bin sicher, dass sie zwar nicht in Arbeit erstickte und sich regelmäßig den schönen Dingen des Lebens widmete, ihre Mutterrolle jedoch ernst nahm und diese gewissenhaft ausfüllte.
    Das Leben dieser beiden Frauen hätte gegensätzlicher nicht sein können. Während bei uns zu Hause meine Mutter allein das Geld verdiente, mein Vater es jedoch allein verwaltete, verdiente im Hause Karnasch Jürgen das Geld. Margot schien nie Geldsorgen gehabt zu haben und bekam offensichtlich alles, was sie brauchte. Regelmäßig fuhr sie mit ihren beiden Söhnen für zwei Wochen auf die Kanarischen Inseln, und die beiden Jungs wurden genauso oft neu eingekleidet, wie sich Margot selbst die neusten
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