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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
Autoren: Kurt Krömer
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ist, weiß ich, weil sie es sagt. Im Verlauf unseres Aufenthalts wird uns auffallen, dass Militärs sich stets und prompt mit Rang und Namen vorstellen. Thea erklärt uns zunächst das Notwendigste dessen, was wir hier in Termez wissen müssen: Folgen und Aufsitzen. Folgen heißt Folgen und Aufsitzen bedeutet, in einen camouflagefarbenen VW-Bus einzusteigen. Die Pässe behält sie.
    Um das Gepäck brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, sagt Feldwebel Thea. Klar, das sagen sie bei Airberlin auch immer. Und dann hat man die zweihundert Euro Gebühr für achtzig Gramm Übergepäck umsonst bezahlt, weil der Koffer auf Mallorca ist und man selbst in Buenos Aires.
    Es gibt hier aber viel zu viel zu sehen, um sich lange darüber aufzuregen. Stahl, Beton und Stacheldraht. Schön ist es nicht, und die Sonne geht hier in Usbekistan schneller unter als die FDP in Deutschland. Man möchte meinen, selbst die Dunkelheit kommt zackig. Feldwebel Thea zeigt uns noch kurz, wo es nachher Abendessen gibt, und schickt uns dann auf den Marktplatz.
    Marktplatz? Ja, sagt sie, das würde nur so heißen und wäre genau dort, wo wir jetzt gerade stehen. Aha. Also bleiben wir stehen und rauchen an Ort und Stelle die ersten vier Zigaretten nach dem Flug. Es ist nicht übermäßig heiß. Nur sehr warm.
    Kurze Zeit später treten alle Soldaten in Uniform auf dem Marktplatz an. Jede Gruppe hat vorhin beim Aussteigen eine Farbe genannt bekommen, und wenn die betreffende Farbe aufgerufen wird, darf die Gruppe zu dem von ihr aufgegebenen Gepäck gehen. Unsere Gruppe hat Grün. Oder Braun. Oder Grau. Da gehen die Meinungen auseinander. Wir gehen einfach bei Rot mit, und keiner protestiert. Thea bringt uns zu unserem Container. Die Containerbehausungen sehen so aus wie die Geschäftsstelle des FC St. Pauli.
    Es gibt eine Containerkolonie mit Waschräumen und Toiletten und eine andere mit Schlafräumen. In den Zimmern gibt es Klimaanlagen und frisch bezogene Betten. Kleo und ich bekommen Einzelzellen. Der Rest kommt in eine Gruppenzelle. Ich bin überzeugt, wir haben es besser als ihrerzeit die RAF.

    Unterkunft, erste Nacht in Usbekistan

    Wir stellen unser Handgepäck hinein und machen uns auf den Weg zum Essensraum. Dafür muss man einmal durch das gesamte Camp marschieren, aber es lohnt sich: In einem großen Saal gibt es Pizza, Salat, Obst, Brot, Käse, Wurst und diverse Getränke. Alles deutlich über Jugendherbergsniveau.
    Wir essen alle zusammen. Ein Kontakt zu den Soldaten hat sich noch nicht ergeben. Mein Kameramann scheint entweder schwerhörig oder unhöflich zu sein. Obwohl ich ihn mehrmals laut und deutlich mit Carsten anspreche, scheint er nicht zu reagieren. Viel später erfahre ich, dass er Marc heißt.
    Nach dem Essen rauchen wir ein paar Zigaretten und gehen dann dahin, wohin auch alle anderen gehen. In die Kneipe im Camp, Area 51. Kein Witz! Die heißt wirklich so.
    Doch anstatt Außerirdischer gibt es hier nur deutsche Soldaten. Die Area 51 sieht aus wie ein Vereinsheim in Tarnfarben. Lounge-Sessel und Sofas, ein Kicker, ein langer Tresen, ein DJ-Pult, eine Fernsehecke und überall Bilder mit Rangabzeichen. Es ist klimatisiert, und ein Bier kostet zwischen siebzig und neunzig Cent. Die Regel lautet: jeder Soldat darf nicht mehr als zwei kleine Dosen Bier pro Tag trinken.
    Es könnte sich hier auch um ein Fest im Vereinshaus einer Kleingartenkolonie handeln. Nichts weist darauf hin, dass man sich fernab der Heimat befindet. Hier erinnert nichts an Krieg. Ein Ort der absoluten Ablenkung. Ich kaufe mir eine Schachtel Zigaretten zu eins zwanzig, gehe nach draußen und zünde mir eine an.
    Ich merke, dass mich einige Soldaten erkennen. Aber sie sind sehr höflich und kommen nicht einfach an meinen Tisch gestürmt, sondern machen das sehr gesittet und freundlich. Alle freuen sich darüber, dass wir diese Tour hier machen, und sagen das auch ganz deutlich. Schnell haben wir eine Gruppe von Soldaten um uns versammelt und unterhalten uns. Mit am Tisch stehen zwei Stabsärzte. Einer hat den Rang eines Hauptmanns, einer den eines Majors. Das weiß ich, weil sie es gesagt haben. Der eine ist Zahnarzt und fliegt das erste Mal nach Afghanistan. Der andere operiert Verwundete. Da horchen wir auf. Ach ja, es gibt ja auch Verwundete. Wir befinden uns schließlich in einem Kriegsgebiet.

    Kennen Sie dieses Gefühl von schwebender Unwirklichkeit zwischen Aufwachen und Augenaufschlagen? Man wacht auf und hat das Gefühl, dass man irgendwo in
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