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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
Autoren: Kurt Krömer
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aussteigen.
    Peter Kümmel
Wir treten aus dem militärischen Teil des Flughafens Kabul. Draußen steht ein Ölfass, das mit Steinen und Munition gefüllt ist, darüber hängt ein Schild: »Reload your weapons here«. Vor dem Gebäude wartet ein riesiger gepanzerter Tresor, der von einem Sattelschlepper gezogen wird; aus dem Dach des Sattelschleppers ragt ein Geschützturm. In den Tresor werden wir gleich hinaufsteigen. Das Ding, 36 Tonnen schwer, heißt Muconpers, hat Platz für 18 Personen und ist das sicherste Fahrzeug, das es im Straßenverkehr von Kabul gibt – aber für Angreifer ist es eine einzige Provokation. Gleich steigen wir also da hinein, doch noch stehen wir in der Sonne, blicken auf die kahlen, von Lehmhütten überzogenen Berge Kabuls und hören, was der verantwortliche Soldat sagt: Die Sicherheitslage ist angespannt, gestern zwei Vorfälle wenige Kilometer entfernt, mehrere Tote. Also: Vorsicht! Morphiumspritzen habe man für alle Fälle dabei. (…) Krömer steigt in den rollenden Tresor hinauf, es folgen ihm: sein Manager, sein Co-Autor, ein Kamerateam, das ihn auf dieser Reise begleitet – und ich, der Mann von der Presse. Krömers Gesicht ist keine komische Regung anzusehen, auch keine Furcht, eher schon gesammelter Ernst: Dies ist alles Teil der Anfahrt, Krömer hat Auftritte vor sich. Man könnte von einer Afghanistan-Tournee reden: Drei Shows wird er hier absolvieren, eine im Headquarter der NATO-Aufbaumission ISAF mitten in Kabul, die zweite im Camp Warehouse am südöstlichen Rand Kabuls und die dritte im Camp Marmal in der nördlichen Wüstenstadt Mazar-e Sharif.
Der Sattelzug ruckt an, und durch ein winziges Fenster sieht man die Stadt vorbeiziehen. Man sieht große Ansammlungen von Baumaschinen, Bulldozern, Hebekränen, Kabul scheint für einen Bauboom gerüstet zu sein. An den Straßenrändern lagern herrenlos verwitternde Container, kleine Märkte tun sich zwischen zerstörten Wohnblocks auf, man sieht Hütten, die mit Folien gegen den fäkaliengesättigten Sandwind geschützt sind, dann aber auch mehrstöckige, intakte Gebäude, von Schriftzügen gekrönt. Die Werbung hat Kabul längst wieder in Besitz genommen, und ein Laster von Coca-Cola Kabul überholt uns zügig. Acht Soldaten umfasst unser Zug. Zwei Dingos begleiten uns, gepanzerte, mit Geschützen bewehrte Fahrzeuge der Bundeswehr. Eins bleibt immer hinter uns, das zweite fährt neben uns oder überholt nervös, als wolle es uns den Weg bahnen. Dann eine Vollbremsung – etwa eine Straßensperre? Nein, wir stehen im Stau, draußen sind es 40 Grad, hier drin kühle 19 Grad.
Der Muconpers ist ein Produkt der Firma KMW (Krauss Maffei Wegmann), eine millionenteure Box für hohen Besuch. Nun transportiert sie Krömer, den Mann, der einst in Berlin untertauchte, um dem Wehrdienst zu entgehen, als Stargast der Truppe. Deutschland leistet sich wieder Kampfeinsätze, und dazu gehört offenbar auch eine ordentliche Truppenunterhaltung.
Ein Soldat sitzt mit uns im Muconpers, ein gemütsruhiger bärtiger Saarländer. Er sagt uns, dass man hier drin sehr sicher sei. Zumindest bei Sprengsätzen bis zu 300 Kilo. Sehr sicher, fragen wir? Was heißt das? Na, bei allem, was über 300 Kilogramm gehe, sagt der Soldat, müsse man sich sowieso keine Sorgen mehr machen, einer solchen Ladung halte auch kein Panzer Stand. Nun erfahren wir, dass die Aufständischen immer häufiger Sprengladungen von bis zu 500 Kilo einsetzen, und den Rest der Fahrt verbringen wir schweigend.
    Das Headquarter befindet sich an einer Allee, an der einige Menschen gerade spazieren gehen. Einer trägt ein weißes Gewand und darüber einen Sakko. Daneben geht ein Herr im Anzug. Ein paar Frauen schieben Kinderwagen vor sich her, und direkt vor uns versammeln sich nun ein paar Kinder und halten die Hände auf. Sie betteln. Geben dürfen wir ihnen nichts, wir dürfen sie nicht zu nah an uns ranlassen. Das ist nicht erlaubt, wird uns gesagt, weil die Sicht der Wachen im Headquarter auf uns nie durch Menschen verdeckt sein darf. Im Bereich des Kasernentors, sagt Kevin, darf niemand stehen bleiben. Es könnten Terroristen sein, die gleich eine Bombe zünden werden oder Ähnliches.
    Auch Kinder nicht?, frage ich ihn.
    Gerade Kinder nicht, ist seine Antwort.
    Die Kinder gehen, und Kevin zeigt auf das Gebäude.
    Das ist das Headquarter, sagt er.
    Ich sehe auf eine weiße Mauer. Vor der Mauer stehen Bäume. Ein paar Stellen an der Mauer sind dunkel. Er zeigt auf die Stellen und fängt
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